Schwarzwaelder Dorfgeschichten
entzieht.
Durch den Garten hin wandelt gackernd eine weiße Henne; sie wirft den Kopf mit dem rothen Kamm oft hin und her, sie geht den Weg nach ihrem heimlichen Neste dort im Zaune bei den Brombeeren, wo die Grille so laut schrillt. Die undankbare Henne! Sie läßt sich füttern im Hause und verschleppt die Eier.
Luzian verfolgte ihren Weg mit festem Auge, er wollte seine Frau mit dem Fund überraschen und wartete nur, um den warmen Brütling von heute gleich mitzubringen.
Nun ist Luzian doch wieder in der kleinen, sichern Welt. Er weiß es selbst kaum mehr, daß er derselbe, der heute vor wenigen Stunden einer uralten Macht sich entgegenwarf, und dessen ganzes Wesen die höchste Erschütterung erfaßt und gehoben hatte. Als er sich jetzt nach dem Bienenhause wandte, bemerkte er dort einen seltsamen Schmuck. Es ist ein alter Glaube, daß wie nur in einer friedlichen Familie die Bienen gedeihen, man diese auch von Allem, was im Hause vorgeht, benachrichtigen muß. Stirbt Jemand im Hause, so müssen die Stöcke von ihrer Stelle gerückt werden, und schwarzer Flor wird über die Luke geheftet; ist Freude, ein Hochzeitfest im Hause: hier sehen wir die Zeichen, hochrothe Läppchen über die Luken gesteckt.
Lächelnd dachte Luzian: »Das Bäbi hat's nicht vergessen wollen, den Bienen zu sagen, daß Hochzeit im Haus ist; aber die Bienen verstehen dich nicht, armer Mensch, und du verstehst auch nicht, was unter dir ist. Um eine Biene, ein Schaf zu verstehen und von ihnen verstanden zu werden, wie ihnen und dir zu Muthe ist, müßtest du dich in solch ein Thierlein verwandeln ...
Und Gott, der nur Geist ist, und der Mensch, der nicht blos Geist ist, sie können einander auch nicht verstehen, wenn Jedes bleibt, was es ist. Darum ist Gott Mensch geworden ... Aber die Mutter Maria, die Wunder und der Teufelsglaube –«
Schwer wiegte Luzian das Haupt, und hier war er nun wieder mitten in den Wirren des Tages. Sein Geist war ein lang ausgeruhter Boden. Wie soll er nun die schwellende, wogende Saat gewältigen?
Müde setzte er sich auf das Bänkchen vor dem Bienenhause.
Die Bienen kennen ihren Herrn und umschwärmen ihn ohne Beunruhigung. Nicht so der Schwarm von Gedanken, der umherschwirrt.
»Dieser Immenstock! Es ist, wie wenn die hundert und aber hundert Thierchen nur ein einzig Geschöpf wären, so fest gehören sie zusammen und können nicht auseinander. Je größer die Thiere werden, um so mehr hat ein Jedes seinen Willen und kann für sich hinlaufen und machen, was es mag. Mensch, wo läufst du hin? Du kannst über's Meer schwimmen, aber Einmal mußt doch bleiben; da ist dein Feld, das kannst nicht mitnehmen, du hast's nicht wie die Imme, die überall offene Blumen, nicht wie die Schwalbe, die überall Mücken und Wasser findet; du hast deinen Acker, du mußt säen und ernten ... Aber der erste Same ist wild von sich selbst gewachsen ... Du triffst überall Menschen. Halt' dich zum Nachbar. Ihm ist die Liebe in's Herz gepflanzt, wie dir. Sie ist auch einmal wild gewachsen, jetzt mußt du sie säen und ernten, und da giebt's tausendfach mehr aus ... Gewiß, gewiß, die heiligen Menschen, die die Liebe gepredigt, haben Recht gehabt. Wenn die Liebe uns nicht zusammenhält, sind wir ja dümmer dran als so ein Immenstock; der bleibt von selbst bei einander. Wozu braucht man aber das Buch? Ja heilig und wahr ist's: Gott ist die Liebe! Das nehm' ich 'raus, und das Andere verbrenn' ich; den Teufeln und den Hexen drin schadet ja das Feuer nichts ... Ich möcht' nur wissen, warum die Geistlichen den Menschen die Wahrheit nicht sagen. Was haben sie denn davon? ... Herr Gott! Herr Gott! Was geht an so einem Sonntag vor in deiner Welt ... Jetzt läuten sie drüben in Hengstfeld und droben in Eibingen aus der Kirch'. Was habt ihr denn kriegt? ... Freilich wohl, es giebt viele Geistliche, die selber den alten Glauben für gewiß und wahr halten und treulich dran hangen, und ist ihnen auch Manches nicht eben, meinen sie doch, das Volk kann nicht ohne das sein. Aber die vielen Tausend Andere? O! der Herrsch- und Regierteufel, der ist's. Mein Victor ist schon ganz glücklich, wenn er seine Buben auf der Straße kommandiren kann ...«
Luzian gedachte jetzt des alten Pfarrers, der zuletzt an der Spitze der Gemeinde eine Eingabe an den Bischof eingereicht hatte, daß eine Synode aus Geistlichen und Laien berufen werde zur Abschaffung der Mißbräuche. Der gute alte Mann folgte der Aufforderung seines Obern, stellte sich zur
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