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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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mir's, ich kann nicht; Gott wird dir dein Herz gewiß noch belohnen, aber gelt, jetzt reden wir weiter kein Wort mehr davon?«
    Der Wendel ging weg und sagte noch in derselben Stunde dem Melchior auf Martini den Dienst auf.
    Endlich kam das äußerste Unglück über Vefele. Der Schultheiß des Orts hatte ihren Stand erfahren, und der hartherzige Mann ließ nun seinen alten verhaltenen Grimm aus; er ließ Vefele durch den Dorfschützen sagen, es müsse das Dorf verlassen und nach seinem Geburtsort zurückkehren, da sonst das Kind, wenn es hier geboren würde, Heimathsrechte ansprechen könnte.
    Vefele duldete es nicht, daß man Schritte gegen diese Grausamkeit that, und in einer stürmischen Herbstnacht bestieg es mit Wendel das Wägelchen und fuhr nach Seedorf. Wendel suchte es auf dem Wege zu trösten, so gut er konnte; er sagte, daß er sich jeden Tag darüber gräme, daß er nicht, wie er oft vorgehabt habe, den Brönner einmal die Bildechinger Steige hinabgeworfen habe, damit er Hals und Bein breche. Vefele schien fast froh, als es in Seedorf kein Unterkommen fand. Wendel bat und beschwor es, mit ihm zu seiner Mutter nach Bondorf zu gehen; aber es gab auf alle seine Bitten kein Gehör, schickte ihn des andern Morgens nach Hause und wanderte zu Fuß fort, wie es sagte, nach Tübingen. Das Mohrle war auch mit gewesen, es wollte sich von Vefele nicht trennen lassen, und der Wendel mußte den Hund mit einem Seile unter dem Wägelchen anbinden.
    Der Wind jagte den Regen, der Boden war so schlüpfrig, daß man bei jedem Schritte ausglitt, als Vefele den Weg nach Rottenburg einschlug. Es war städtisch gekleidet und hatte ein hellrothes Halstuch um, unter dem Arme trug es ein kleines Bündel. Ein altes Lied, das es fast ganz vergessen hatte, tauchte plötzlich in seiner Erinnerung auf; es war das Lied von der betrogenen Grafentochter. Ohne den Mund zu öffnen, wiederholte es oft innerlich den Vers:
     
    Weinst du um dein Vatergut,
    Oder weinst du um dein' stolzen Muth?
    Oder weinst du um dein junges Blut?
    Oder weinst du um deine Ehr'?
    Ja Ehr'?
    Die find'st du nimmermehr.
     
    Kaum einige hundert Schritte war Vefele von Seedorf entfernt, als plötzlich etwas an ihm hinaufsprang. Es fuhr erschreckt zusammen, aber sein Antlitz war schnell wieder freundlich, es war Mohrle; der Hund trug einen Seilstumpf, den er abgebissen hatte, am Halse, er gebärdete sich ganz wie selig und wollte sich gar nicht beruhigen lassen.
    Der Sturm war so heftig, daß es war, wie wenn man ganz hart an dem Ohre zwei Steine aufeinander schlüge, und als ob um und um unfaßbare rauschende Gewänder einen umstrickten und zu ersticken suchten. Vefele ging mühsam weiter, und plötzlich – ohne daß es wußte, warum oder wie – kam ihm der Gedanke, daß Brönner jetzt auf dem Meere sei. Es hatte in seinem Leben nur einmal eine bildliche Darstellung des Sturmes im Evangelium gesehen; aber jetzt sah es ihn leibhaftig vor sich, es selbst war mitten drin: es sah die häuserhohen dunkeln Wellen, sah das Schiff, wie es auf und nieder geschnellt wurde, und oben stand der Brönner und streckte jammernd die Arme empor. Da! wehe! Vefele streckte ebenfalls die Arme empor, sein Mund öffnete sich, aber der Schrei erstarb ihm auf der Zunge, es sah den Brönner hinabstürzen in das Meer, und eine Welle begrub ihn. Vefele ließ die Arme sinken, sein Haupt neigte sich, seine Hände falteten sich, und es betete für die arme Seele des Verlorenen. So stand es eine Weile, in seinem Innersten sah es: Brönner war in dieser Minute gestorben. Dann richtete es seufzend das Haupt wieder empor, es hob das Bündel auf, das ihm entfallen war, und schritt durch Sturm und Regen wieder fürbaß.
    Auf der Anhöhe, wo der Weg umbiegt und das Städtchen Rottenburg vor den Blicken liegt, steht eine Kapelle. Vefele trat hinein und betete lange und inbrünstig vor der Mutter Gottes. Als es wieder aus der Kapelle trat, sah es die weite Ebene vor sich fast wie einen See; der Neckar war übergetreten. Vefele ging außen an der Stadt herum, Hirschau zu. Hier traf es plötzlich einen alten Bekannten, den auch uns noch wohl erinnerlichen Marem; er trug einen Quersack auf dem Rücken und führte eine Kuh am Seile, er ging ebenfalls nach Hirschau. Wer sollte es glauben, daß Marem ein Mitgefühl mit dem Schicksale Vefele's hatte, das ihm Thränen auspreßte? Und doch war es so. Nehmt einen Dorfjuden und einen Bauern von gleicher Bildungsstufe, ihr werdet jenen verschmitzter, auf seinen

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