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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wollte fast verzweifeln, daß es zu Hause bleiben und nichts thun solle, als harren und weinen, aber Melchior redete ihm die Mitreise auf's Liebevollste aus.
    Tage und Wochen schmerzlichen Hinbrütens vergingen. Wer das Vefele früher gekannt hatte, wäre jetzt furchtbar erschrocken über die Veränderung seines ganzen Wesens. Es ließ sich aber vor niemand sehen, es lebte ein Leben ohne Willen, das kein eigentliches Leben war, es aß und trank, schlief und stand auf, aber es wußte und wollte von alledem nichts, es blickte immer drein wie eine Wahnsinnige. Auch weinen konnte es nicht mehr. All sein Denken, seine tiefste Seele war wie scheintodt, wie lebendig begraben; es hörte die Welt draußen hanthieren, es verstand sie wohl, aber sich selber konnte es nicht verständigen.
    Als Melchior zurückkam, ohne eine Spur von Brönner entdeckt zu haben, hörte Vefele Alles mit einem herzzerreißenden Stumpfsinn an, es schien auf Alles gefaßt. Still, fast ohne ein Wort zu reden, lebte es dahin. Nur als es vernahm, daß Brönner mit Steckbriefen verfolgt wurde, jammerte es laut auf; es war ihm, als ob Millionen Zungen durch die Welt hin seinen Schmerz und seine Schande verkündeten, und doch – so weit geht die Liebe – weinte es fast mehr um Brönner, als um sich selber.
    Bei alle dem hatte das traurige Schicksal Vefele's noch nicht seine höchste Höhe erreicht. Als seine Schwägerin seinen Stand inne ward, steigerte sich ihre Hartherzigkeit zum empörendsten Grade, sie verfolgte und mißhandelte Vefele auf jede Weise. Das aber duldete still, es sah sich auserkoren, das größte Kreuz über sich zu nehmen, und es gehorchte ohne Murren; das Doppelleben in ihm schien es mit einer geistigen und körperlichen Kraft auszurüsten, die über jedes Ungemach unversehrt hinwegschritt. Als aber Vefele hörte, wie die Schwägerin dem Melchior Vorwürfe machte, und wie sie den Tag verwünschte, an dem sie in eine Familie eingetreten war, die einen solchen Schandfleck habe, da blutete das Herz der Unglücklichen tief. Sie, die Engelsmilde, sollte die Schande ihrer Familie sein! Alles ertrug sie, nur das, daß sie an dem Unglück und der Schande ihres Bruders schuld sein solle, das war zu viel!
    Es ist jammervoll, daß fast lauter böse, in die Tracht schwarzer Leidenschaften gehüllte Menschen am Lebenswege Vefele's sich wie eine festgeschlossene Reihe aufgestellt hatten. Das verhinderte es auch, die guten, in den Lichtglanz des Edelsinns gehüllten Menschen zu erkennen, die sich nicht so leicht hindurchdrängen, weil es ihre stille Tugend so mit sich bringt, und weil sie auch erwarten dürfen, daß man sie doch herausfinde.
    Vefele saß eines Tages weinend in der Küche auf dem Herde, da trat der Wendel ein und sagte:
    »Müsset nicht greinen, ich hab's Euch ja damals gesagt, es gibt noch rechtschaffene Bauersleut' genug, wenn sie auch keinen Katzenbuckel machen können.«
    Vefele sah mit thränenden Augen auf, über diese Rede befremdet; es antwortete aber nichts, und Wendel fuhr nach einer Weile fort:
    »Ja, gucket mich nur an; was ich sag', ist so wahr, wie wenn's der Pfarrer von der Kanzel sagt.« Er näherte sich Vefele und faßte dessen Hand, indem er weiter sagte: »Drum kurz und gut, ich weiß, wie's mit Euch steht, aber Ihr seid doch braver als hundert Andere, und wenn Ihr Ja saget, ist über vierzehn Tag' unsere Hochzeit, und Euer Kind ist mein Kind.«
    Vefele entzog ihm rasch die Hand und bedeckte sich damit die Augen, dann stand es auf und sagte glühenden Antlitzes: »Weißt du denn auch, daß ich bettelarm bin? Gelt, das hast du nicht gewußt?«
    Wendel stand eine Weile still, Zorn und Mitleid kämpften in seinem Herzen wie auf seinem Angesichte, er schämte sich für das Vefele und für sich selber über diese Rede; endlich sagte er: »Ja, ich weiß Alles; wenn du noch reich wärst, hätt' ich mein Lebtag nichts gesagt; meine Mutter hat ein klein's Gütle, und ich hab' mir auch ein Geldle gespart, und wir können ja schaffen und uns in Ehren durchbringen.«
    Vefele faltete die Hände, hob die Blicke himmelwärts und sagte dann: »Verzeih' mir's, Wendel, aber ich hab's nicht so schlecht gemeint, ich bin nicht so schlecht, aber die ganze Welt kommt mir so vor; verzeih' mir's Wendel.«
    »Nun sagst du Ja?« fragte dieser.
    Vefele schüttelte den Kopf verneinend, und Wendel stampfte mit dem Fuße auf den Boden: »Warum denn nicht?« fragte er.
    »Ich kann nicht viel reden,« sagte Vefele schwer athmend, »aber verzeih'

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