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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Vortheil bedachter und scheinbar kälter finden; aber bei jedem rein menschlichen Elend werdet ihr meist eine Wärme und Zartheit des Mitgefühls in ihm entdecken, die ihn weit über sein sonstiges Sein hinaushebt. Sein Schicksal hat ihn für manche andere Weltbeziehung abgestumpft, aber ihn auch zum theilnehmenden Bruder jedes rein menschlichen Schmerzes gemacht.
    Marem bot Alles auf, um Vefele von seinem Wege zurückzubringen, er bot ihm sein eigenes Haus als Unterkommen an, ja, er wollte ihm sogar Geld aufdringen. Vefele lehnte Alles ab. In Hirschau kehrten die beiden ein. Marem ließ dem Vefele eine gute Suppe kochen, aber es stand gleich, nachdem es den ersten Löffel voll genommen, wieder auf, um weiter zu gehen. Marem wollte den Hund bei sich behalten, aber Vefele ließ das treue Thier nicht, es schied mit einem: »Vergelt's Euch Gott!« –
    Eine Stunde später ging Marem, nachdem er seine Kuh verkauft hatte, ebenfalls nach Tübingen. Nicht weit von Hirschau sprang ihm das Mohrle entgegen, es trug ein rothes Halstuch im Maul. Marem wurde blaß vor Schrecken, das Mohrle sprang ihm nun voraus und er nach. Sie kamen an eine Stelle, wo das Wasser über die Straße getreten war; der Hund sprang hinein, er schwamm immer weiter, immer weiter, bis er endlich aus den Augen verschwand. – –
     
    * * *
     
    Das vornehmste Haus des ganzen Dorfes, das gehörte einst dem Vater des Vefele; der Vater ist todt, die Mutter ist todt, die fünf Kinder sind todt, und das Vefele ist spurlos verschwunden.
     

 
IV.
Tonele mit der gebissenen Wange.
     
    Auf dem Feldraine, da, wo der Weg sich scheidet und der eine nach Mühringen, der Andere nach Ahldorf führt, im sogenannten »Kirschenbusch«, dort saßen an einem Sonntag Nachmittage drei Mädchen unter einem blühenden Kirschenbaume. Rings umher war Alles stille, kein Pflug regte sich, kein Wagen rasselte. So weit das Auge schauen konnte, überall sonntägige Ruhe. Von der Anhöhe gegenüber, vom Daberwasen, wo noch die Kirche eines alten Klosters steht, tönte die Glocke, die wie mit lautem Gruße die Betenden heim geleitete. In dem kleinen Thälchen, »im Grunde« genannt, blühte der gelbe Raps zwischen den grünen Kornfeldern, und rechts auf der Anhöhe sah man von dem jüdischen Gottesacker nur die vier Trauerweiden, die an den vier Ecken des großen Hügels stehen, unter welchem die Großmutter, die Mutter und ihre fünf Kinder ruhen, die alle in einem Hause verbrannt sind. – Weiter unten stand mitten unter den blühenden Bäumen ein hohes, ziegelroth und weiß angestrichenes hölzernes Kruzifix. Sonst war rings umher lauter still treibendes Leben. Der einzige Laubwald in der ganzen Gegend, das sogenannte »Buchwäldle«, stand in voller Blätterpracht, und auf der andern Seite des Weges zog sich der Fichtenwald mit seinen stolzen und geraden Stämmen in lichter unbewegter Ruhe dahin. Kein Lüftchen wehte. Hoch zu den Wolken hinan schmetterte die Lerche ihren Gesang, und tief in den Furchen versteckt schlug die Wachtel. Es war, als ob die Aecker nur für sich selber blühten, denn nirgends war ein Mensch zu sehen, der mit Hacke und Schaufel andeutete, daß die Erde ihm unterthan sei. Hie und da kam ein Bauer quer über's Feld, bisweilen einer, bisweilen aber auch mehrere, die sich unter traulichem Gespräche nach dem Gedeihen ihrer Saat umschauten; in ihrem Sonntagsstaate kamen sie und sahen vergnügt das stille Walten und Wirken in der Natur in ihrer Sonntagspracht.
    Die drei Mädchen saßen ruhig da, die Hände auf ihre weißen Schürzen gelegt, und stimmten ihre Lieder an. Bärbele sang die erste Stimme, das Tonele (Antonie) und das Brigittle begleiteten es mit natürlichem Takte. Andächtig und wehmüthig schallten die langgezogenen Töne über die Flur dahin, und so oft die Mädchen sangen, pfiff ein Distelfink, der in den Zweigen des Kirschbaumes saß, mit doppelter Lust, und so oft die Mädchen nach Beendigung einer Strophe innehielten oder leise mit einander plauderten, verstummte der Distelfink fast plötzlich. Die Mädchen sangen:
     
    »Schön's Schätzle, um was i di bitte thur,
    Bleib nur noch e Jährle bei mir.
    Und Alles, was du verzehre thust,
    Das will ich bezahle vor dir.«
     
    »Und wenn du gleich Alles bezahle thust,
    Geschieden muß es jetzt sein.
    Wir reisen in fremdeste Länder hinein,
    Schön's Schätzle, vergiß du nit mein.«
     
    Und als ich in fremde Land hinein kam,
    Schön's Schätzle steht unter der Thür,
    Es thät mich so freundlich

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