Schwarzwaelder Dorfgeschichten
als Knecht zu betrachten, denn er verfügte über Nichts in Haus und Feld, ohne vorher die Frau darum zu befragen.
Buchenberg gehört noch zu jenen Dörfern, wo Alles mit einander verwandt ist, weil die großen Bauern nur unter sich heirathen. Um so glücklicher durfte sich Diethelm schätzen, vom fremden Knechte zum reich angesessenen Hofbauern erhoben zu sein. Er schien das auch zu erkennen. Bald aber erhielt Martha die Kunde, wie er hinter ihrem Rücken über Großes verfügte und namhafte Summen seinen Verwandten schenkte. In seltsamer und doch so häufig vorkommender Verkehrtheit ging sie Tage ja Wochen lang mit tiefem, immer sich steigerndem Zorn in der Seele umher, und unversehens, bei den geringsten Anlässen, brach sie in Verwünschungen, in Schelten und Weinen aus, daß Alles zu Grunde gerichtet werde. Die Erwartung, daß Diethelm endlich selber seine geheime Schuld bekennen würde, konnte immer schwerer in Erfüllung gehen, denn Diethelm sah nun auf Einmal in seiner Frau ein verändertes zänkisches Wesen, sah sich für sein ganzes Leben an's Unglück geschmiedet und freute sich im Stillen doppelt, daß er in der Aufhülfe seiner Familie doch noch eine Freude habe, während ihm sonst nur Leid bevorstand. Er wußte doch jetzt, wofür er das zu erdulden habe. Dem allzeit keifenden Wesen seiner Frau setzte er unverbrüchliches Stillschweigen gegenüber; und als er dies endlich brach, da die Frau ihn im Beisein des Metzgers über den eigenmächtigen Verkauf eines Kälbchens hart anließ, erfuhr er endlich die lange verhaltene Ursache vom Zorn seiner Frau. Jetzt aber war der gerechte Grund ihres Unwillens längst in ihm vernichtet und abgebüßt, und mit schneidendem Spott erklärte er seiner Frau, daß er nicht, wie sie, kein Herz für die ihm angehörige Familie habe.
So verkehrt es auch war, daß Diethelm seiner Frau ein Verhältniß zum Vorwurf machte, das doch nur um seinetwillen eingetreten war, so wirkte dies doch so erbitternd auf Martha, daß sie, ohne ein Wort zu sagen, mit hervorgequollenen Augen, mit knirschenden Zähnen und zitternd gekrallten Fingern auf Diethelm eindrang, als wollte sie ihn in Stücke zerreißen. Diethelm stand starr und regungslos bei diesem Anblicke. So hatte er sich nie gedacht, daß seine Frau werden könne. Als sie nun ihm ganz nahe war, verzerrten sich ihre Mienen zur grimmigsten Fratze; aber sie legte nicht Hand an ihn, sondern stieß nur einen unartikulirten Schrei höchster Verachtung aus und verließ die Stube.
Von jenem Tage an und gerade aus dem Ausbruch von so mächtigen Zorn- und Haßgedanken war eine seltsame und doch wieder so leicht erklärliche Einkehr in den Gemüthern der beiden Ehegatten vorgegangen. Diethelm erkannte und sprach es aus, daß er seiner Frau Unrecht gethan, da sie vollberechtigt sei, in der Verwendung ihres Besitzthumes darein zu reden. Er erklärte ihr nun die Hilflosigkeit seiner Angehörigen, und wie er sich schämen müßte, selber im Ueberflusse zu leben, während seine Nächsten darbten. Auch Martha erkannte dies und daß sie ungerecht gegen ihren Mann gewesen, aber ausdrücklich bekennen konnte sie das nicht, obgleich sie oftmals auf Diethelms Gutherzigkeit zu sprechen kam und dabei das zum Verzweifeln karge Wesen ihres verstorbenen Mannes erwähnte. Sie schickte nun selbst, so oft sich Gelegenheit gab, Allerlei nach Letzweiler, und Diethelm, nun vollkommen gedeckt, wollte allen seinen Angehörigen gründlich aufhelfen. Ein wirklich ungewöhnlich mächtiger Familiensinn, dabei aber auch die Lust, frei und offen über ein großes Besitzthum zu verfügen und vor Allem die Ehre und der Ruhm, der ihm dadurch ward, ließen ihn fast keine Grenzen mehr kennen.
Das Haus des Grobbauern, das ehedem von den Bettlern gemieden war, zeigte sich seit Diethelms Zeiten als die reichste Quelle der Wohlthaten, und es wurde viel gerühmt, daß Martha nie einem Armen eine abgerahmte Milch gab.
Eine Eigenschaft zeigte sich bei Diethelm in Allem: es war eine unersättliche Ehrbegierde; er hätte lieber das tiefste häusliche Elend ertragen, ehe er davon etwas in der Welt verlauten und so seine Ehre blosstellen ließ. Als nun nach fünf Jahren kinderloser Ehe die kleine Fränz geboren wurde, war er voll steten Jubels und an dem Kinde schien immerwährend sein ganzes Leben zu hängen. Aus dem Gespräche der beiden Schäfer ist uns noch erinnerlich, welch' eine seltsame Lebenswendung Diethelm einschlug und wie bald keine Spur mehr davon übrig war, daß er
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