Schwarzwaelder Dorfgeschichten
haben?
Gäbler rief Diethelm noch auf der Straße nach, daß er in den nächsten Tagen mit dem Brandschatzungs-Commissär nach Buchenberg käme, um Alles aufzunehmen und zu versichern und er hoffe, daß das Beispiel ihm mehr Kunden im Oberlande verschaffen solle. Diethelm hatte das eingekaufte Manteltuch im Arm, jetzt ließ er es plötzlich fallen und als er sich darnach bückte, stürzte er nach der ganzen Körperlänge auf den Boden. Fränz und der herzugeeilte Gäbler hoben ihn rasch auf und Diethelm behauptete mit schmerzverbissenem Antlitze, daß er über einen Pflasterstein gestrauchelt sei.
Der Abschied von den Wirthsleuten im Stern hatte etwas erzwungen Heiteres, der Sternenwirth sagte noch bei der letzten Handreichung: »Es bleibt also wie wir abgeredet.« Diethelm nickte bejahend. Mit einem besondern Behagen legte er dann das Manteltuch in die Kutschentruhe, er konnte seiner Frau damit doch beweisen, wie er ihrer gedacht; und erst, als er schon fuhrfertig oben saß, kam Fränz mit hochglühenden Wangen und verweinten Augen. Die beiden Wegfahrenden sprachen kein Wort mit einander, und Diethelm schaute immer rechts und links nach den Häusern; sein Blick haftete besonders auf jenem Täfelchen, darauf im schwarzen Felde zwei rothe Hände ineinander verschlungen waren.
Erst vor der Stadt nahm Diethelm die Peitsche auf und schlug fluchend und im heftigsten Zorn auf die beiden Rappen, daß sie im wilden Trab dahin rannten. Es war ein schöner heller Augustmorgen, die Leute am Wege arbeiteten als wäre nicht gestern Markttag gewesen und mancher schwere Garbenwagen, der langsam des Weges daherkam, hatte kaum Zeit dem pfeilschnellen Gefährte auszuweichen, und Mancher im Felde drohte mit dem Garbenknebel, mancher Bauer fluchte mit geballter Faust hinter Diethelm drein, denn er war beim raschen Ausweichen in einen aufgeschichteten Steinhaufen am Wege oder gar in den Weggraben gefahren und konnte nun lange nicht mehr vom Fleck, während Diethelm rasch aus den Augen verschwand. An der ersten Anhöhe begegnete Diethelm einem leeren Wagen; er hielt an, und erfuhr auf die Frage: woher? daß dieß der Knecht des Steinbauern war, der ihm Wolle zugeführt hatte.
»Hast ein Trinkgeld bekommen?« fragte Diethelm.
»Wüßt' nicht von wem. Die Frau hat sich gar nicht sehen lassen, ein Schäfer und ein Soldat haben die Ballen abgenommen.«
In einem Gemisch von Demuth und Stolz sagte Diethelm, in die Tasche greifend: »Ich bin der Diethelm, bin selber Knecht gewesen und weiß, was ein Trinkgeld ist. Mein' Frau ist krank. Säh« (da) und er warf buchstäblich das Geld auf die Straße und fuhr davon.
Diethelm schimpfte gegen Fränz über die Mutter, die ihn gewiß wieder »mit ihrem Gruchzen in der ganzen Welt verbrüllt habe,« und Fränz hatte darauf nichts zu erwidern, als daß das Verbleiben in der Stadt ja so schön gewesen sei. Trotz der Erwähnung dieses Säumnisses dachte Keines von Beiden daran, wie es Pflicht gewesen wäre, alsbald selbst heim zu eilen und die Uebernahme und Einräumung selbst anzuordnen, statt sie der Mutter über den Hals zu schicken. Fränz und Diethelm waren wie zwei Menschen, die, ohne es sich offen zu gestehen, daß sie ein Unrecht begangen und doch dessen bewußt, gegen den losfahren, dessen Leiden ihnen den Spiegel ihres Thuns vorhält. Diethelm schwur, daß er nun der Mutter das Manteltuch gar nicht gebe, sie habe es nicht verdient, und nur hierin beschwichtigte Fränz und deutete auf die Kränklichkeit und daraus folgendes grämliches Wesen der Mutter hin. Nun waren sie wieder Beide wohlgemuth, denn sie konnten jeden kommenden Vorwurf mit mitleidigem Achselzucken von sich weisen.
Am Waldrande in der Mitte des Weges erhob sich eine Staubwolke und als die Fahrenden näher kamen, zeigte sich eine große Heerde Schafe. Der Schäfer kannte Diethelm und sagte, daß er am Abend in Buchenberg sein werde und lobte überaus die eingekaufte Heerde. Diethelm empfahl ihm ruhigen Trieb zu halten und warf auch ihm ein Geldstück zu.
»Das ist Alles unser,« sagte Diethelm dann mit triumphirender Miene zu Fränz, und mit Stolz wies er weiter hinaus, wo wieder eine Heerde in einer Staubwolke sich zeigte, und es war ihm, als ob nirgends Raum genug wäre und auf allen Wegen sich sein Reichthum ausbreitete, mit dem er Hohes, Unübersehbares erobern wollte. Mit Behagen erzählte er zum Hundertstenmale der Fränz, wie er vor dreißig Jahren mit dem Stab in der Hand und neun Kreuzer in der Tasche nach
Weitere Kostenlose Bücher