Schwarzwaelder Dorfgeschichten
er mit zitternder Stimme: »Fränz, ich thät sterben, ich thät mir selber den Tod an, wenn ich auf meine alten Tage in Noth käm'; wenn ich laufen müßt' und nicht mehr fahren könnt'. Guck, ich mein', ich geh knietief im Boden, so schwer wird mir's. Wenn ich so weit 'runterkäme – nein, es darf nicht sein. Ich bin nicht allein, ein ganzes Dorf stürzt mit mir. Wenn ich Niemand mehr was schenken könnt' – lieber möcht' ich gestorben sein.«
Fränz tröstete so gut sie konnte und nannte diese Schwermuth nur eine Folge des Schreckens. In Unterthailfingen, kaum noch eine Stunde von Buchenberg, war Diethelm eigentlich schon zu Hause, denn hier hatte er einen Weidgang für vierhundert Schafe gepachtet. An der Schmiede wurde nun die zerbrochene Deichsel wieder festgenietet und der Wein im Wirthshaus festigte fast ebenso das geknickte Gemüth Diethelms, ja er fühlte sich so frisch gestimmt, als ginge es zu einer besondern Festlichkeit und in seltsamer Laune schickte er nach dem Bader und ließ sich von ihm mitten in der Woche die Bartstoppeln abnehmen.
Achtes Kapitel.
Mit aufsehen erregendem Wagengerassel fuhr Diethelm in Buchenberg ein; aber es schaute Niemand nach ihm, denn eben läutete die große Glocke, die sogenannte alte Kathrin', die nur bei Sterbefällen und in Feuersgefahr allein angezogen wurde. Diethelm fühlte, wie dieser Klang ihm den Athem stellte. Wär's möglich, daß seine Frau sich ein Leid angethan? Er mußte die Leute auf der Straße für die arme Seele beten lassen und konnte nicht fragen.
»Wer ist gestorben?« fragte er beim Wirthshause zum Waldhorn anhaltend und erhielt zur Antwort, daß man dem alten Küfermichel zum Verscheiden läute. Diethelm knallte mit der Peitsche. Es war nicht der Mühe werth, um den alten Mann so viel Aufhebens zu machen.
Heitern Sinnes fuhr er das Dorf hinaus nach seinem Gehöfte. Im hellen Mittagsglanze lagen Haus und Scheuer und Ställe stattlich da. Das Haus, mit der Giebelseite nach der Straße gekehrt, von den Grundmauern bis zum Dach um und um mit graugewordenen Schindeln vertäfelt, die als Wetterpanzer dienten, öffnete jetzt so zu sagen seinen Mund und erhielt große Brocken; denn in dem Vorbaue am Dache standen zwei Männer und zogen an der Radwinde die Wollballen herein, die von unten hinaufgeschrotet wurden. Aus dem Schornstein stieg kein mittäglicher Rauch auf, und es war nun doppelt gut, daß in der kalten Herberge vorgesorgt war. Während er den kleinen Hügel hinanfuhr, überlegte Diethelm, wie er dem keifenden Wesen der Frau begegnen solle und es blieb schließlich dabei, daß er zu Allem lächeln und geheimnißvoll thun müsse, als ob er einen großen Gewinn in der Tasche und einen noch größern in Aussicht habe. Als er anhielt und abstieg, ließ sich Niemand sehen. Diethelm führte selbst die Pferde in den Stall und schickte durch Fränz das Manteltuch der Mutter; dann ging er an der Stubenthür vorbei, drin er laut weinen hörte, hinauf auf den Speicher, und als er hier mit Medard zankte, weil er die verschiedenen Sorten unter einander gelegt, erwiderte dieser trotzig, das ganze Geschäft sei eigentlich nicht seine Sache, er sei Schäfer und nicht Kaufmannsdiener. Zu jeder andern Zeit hätte Diethelm auf solche trotzige Art tapfer ausgeschirrt, heute aber brummte er nur vor sich hin: »wart' nur krummer Spitzbub'« und sprach kein lautes Wort. Er wollte es vor Allem vermeiden, vor den vielen ein- und ausgehenden Fremden im Hause irgend Zank laut werden zu lassen; denn es konnte dabei Manches zu Tage kommen, was besser verborgen blieb, auch wußte er, wie große Stücke seine Frau auf den Schäfer und dessen ganze Sippschaft hielt. Als er wieder die Stiege herab kam, stand die Frau am Herd und zündete ein Feuer an. Er reichte ihr die Hand und fragte:
»Warum hast denn bis jetzt kein Feuer angemacht?«
»Ich hab' warten wollen, bis du's selber anzündest,« erwiderte die Frau in schmollendem Tone. Diethelm stand erstarrt und biß auf die Lippen. Was meinte die Frau mit diesen Worten? Wie konnte sie ahnen, daß heute schon zum Zweitenmal ein solcher Gedanke ihm wie ein brennender Funke in die Seele fiel? Die Frau aber schien diese Worte nur unbedacht als scharfe Widerrede gesprochen zu haben; denn ohne weiter darauf einzugehen, schalt sie die Fränz:
»Was laufst so 'rum wie ein Schlittengaul? Zieh' deine Sonntagskleider aus. Es ist ja Sünd' und Schad. Wirst doch nicht so daheim 'rumlaufen wollen? Bei rechtschaffenen
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