Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Bauersleuten ist's immer so gewesen: wenn man heimkommt, zieht man seine Werktagskleider an und legt die guten ordentlich in den Schrank. Aus dem Weg! Darfst mir nichts anrühren. Fahr' in der Welt herum oder zum Teufel, wohin du magst.«
Der Zorn gegen den Vater ging wie schon so oft auch diesmal an dem Kind aus; denn einerseits hatte Martha nicht den vollen Muth gegen ihren Mann, anderseits wußte sie, daß eine Kränkung der Fränz ihm doppelt weh thue. Fränz wollte laut aufweinen, aber Diethelm beschwichtigte sie und sagte:
»Die Mutter hat Recht, ganz Recht hat sie, aber heut ist eine Ausnahme, heut kommen noch viele Leut' und da darf man nicht so verhudelt 'rumlaufen.«
»Und ich? ich kann das Aschenputtel sein?« frug die Mutter.
»Du mußt dich auch besser anthun. Wie gefällt dir das Manteltuch? Frau, du wirst dein' Freud' haben an dem Marktgang,« sagte Diethelm mit zutraulicher Stimme, während er klein Holz häckelte, eine Aufmerksamkeit, die er seit den ersten Jahren der Ehe nicht mehr gehabt hatte.
Der Hausfriede war nun nothdürftig hergestellt, und Diethelm mußte bei Tische thun, als ob er noch nirgends gespeist habe; er würgte jeden Bissen mit Mühe hinab und sein ganzes Heimwesen erschien ihm auf Einmal so düster: wie war's draußen in der Welt so hell und freundlich und Alles so zuvorkommend, und hier mußte er immer thun, als ob er das Gnadenbrod esse. Die freie Stimmung, die er aus der Ferne mitgebracht, war plötzlich gefängnißdumpf, und als er wieder hinabkam und seine Halbkutsche sah, meinte er, er müsse gleich wieder anspannen und fort, immer weiter: auf der kalten Herberge, im Stern, in der Post, überall war's viel besser, sonniger und luftiger.
Wagen an Wagen kamen angefahren, Heerden hielten unten am Wege und blökten so kläglich, und Diethelm war's wieder, als ob ihn all das neue Besitzthum erdrücke; er hatte außer Medard noch zwei Schäfer in Dienst genommen, und noch hatte Jeder mehr als die gewohnte Zahl Vierhundert zu hüten. Aber er that freundlich und wohlgemuth, er half selber die Ballen oben in der Lucke einziehen und einmal schrie Alles laut auf, denn Diethelm hatte sich zu weit hinausgewagt, er hing frei in der Luft am Seil, es war ihm, als schwebte er über dem Abgrund: er wußte nicht, sollte er festhalten oder freiwillig hinabstürzen, daß er zerschmettere und Alles auf Einmal aus sei; aber unwillkürlich hielt er fest, und besonders der Geistesgegenwart und dem entschiedenen Commando des Schäfersoldaten Munde war es zu danken, daß vor lauter Staunen über den möglichen Unfall derselbe nicht in der That eintraf. Die Männer unten ließen leise die Last wieder herabgleiten, und Diethelm stand schwankend auf dem Boden und fühlte, wie er aus Noth und Tod plötzlich wieder in's Leben gestellt war. Die Gefahr, in der Diethelm geschwebt, hatte plötzlich wieder all' die Liebe Marthas zu ihm geweckt, sie umhalste ihn laut weinend und dankte Gott für seine Rettung. Vor einer Stunde noch voll Jähzorn und giftiger Verwünschungen, verfiel sie jetzt in die ganz entgegengesetzte Stimmung, daß sie ihren Diethelm »verkindelte,« so daß dieser einst von solcher altmütterlichen Behandlungsart gesagt hatte: »es fehle weiter nichts, als daß ihm seine Frau noch Kindchensbrei koche.« Martha duldete es nicht mehr, daß Diethelm irgend Hand anlege; sie besorgte selber die Empfangnahme alles Eingekauften, Diethelm mußte in der Stube sitzen, und wie er draußen lärmen und rufen hörte, kam er sich vor, als wäre er im Fieber gefangen und Alles stürmte auf ihn ein, und er konnte sich nicht wehren und mußte still Alles mit sich geschehen lassen.
Endlich waren die leeren Wagen abgefahren, die Heerden in den weitläufigen, an das Haus angebauten Ställen untergebracht, es war Abend und Diethelm fühlte sich so wohl daheim, daß ihm die vergangenen Tage und das Hinaussehnen wie ein Traum erschien. Hier allein war Friede und Glückseligkeit. Er ließ den Munde in die Stube rufen, dankte ihm für seine entschiedene Hülfe und schenkte ihm einen Kronenthaler. Munde nahm zaghaft das dargebotene Geld, aber er nahm es doch, und fast stolperte er über Fränz, die am Spinnrocken saß und verließ ohne ein Wort die Stube. Diethelm war so hingegeben, daß er fast geneigt war, seiner Frau die ganze Lage seiner Verhältnisse zu offenbaren; aber er hielt noch zeitig genug an sich und erklärte ihr nur, daß er entschlossen sei, nur noch diesmal die Handelschaft zu treiben, dann
Weitere Kostenlose Bücher