Schwarzwaelder Dorfgeschichten
straff und aufrecht umher, ihre Trauerkleidung war so wohlgeordnet, sie erschien darin schöner als je und trug gekräuselte Scheitelhaare. Diethelm betrachtete sie oft still forschend als wäre sie gar nicht seine Tochter und in der That war Fränz eine zierlich schlanke Dame geworden; nur die breiten Hände, die sich noch durch Flormanschetten besonders hervorhoben, zeigten die ehemalige Bäuerin. Als sie einen Augenblick mit dem Vater allein war, sagte sie schnell:
»Der Munde ist auch in der Stadt, er ist beim Manöver, ich hab' ihn gesehen.«
»Was geht dich der Munde an?« entgegnete Diethelm zornig und noch ehe etwas erwidert werden konnte, trat der Schwiegersohn ein; er trug einen Flor um den Hut und sprach aufrichtige Worte des Mitgefühls um den Tod der Schwiegermutter.
Diethelm schwieg und lange redete Keines der Anwesenden ein Wort. Der Staatsanwalt hielt still die Hand der Fränz, die auf dem Tritt am Fenster saß. Diethelm fragte endlich nach den Gerichtsverhandlungen, von denen er gar nichts mehr gehört und wie die Sache Reppenbergers ausgegangen sei.
»Die ist noch nicht aus,« erhielt er zur Antwort, »sie ist die letzte Tagesordnung für Morgen. Der Schelm hat sich krank gemacht, er hat den Kalk von seinen Gefängnißwänden abgefressen, so daß er ganz schwarz wurde; es ist möglich, daß er sich tödten wollte, es kann aber auch sein, daß er nur seine Untersuchungshaft noch um ein Vierteljahr hinauszuziehen hoffte; aber wir haben ihn so hergestellt, daß er morgen vor die Bank der Zwölf Männer kommt, und Sie müssen dabei sein, Schwäher, Sie müssen.«
Diethelm preßte die Lippen fest zusammen und trappelte mit den Füßen rasch auf den Boden. Hatte denn der Teufel sein Spiel mit ihm, daß er ihm diese Geschichte aufbewahrte und sie ihm wie einen Fallstrick abermals vor die Füße warf?
»Ich muß? Warum muß ich? Wer kann mich zwingen? Ich bin dispensirt. Wer will mich zwingen?« sagte er endlich und bebte in allen Gliedern.
Der Staatsanwalt erwiderte, es sei gut, daß das niemand Anders gehört als er; er ließ die Hand der Fränz los und fuhr fort zu berichten, daß der Advokat Rothmann, der Vertheidiger Reppenbergers darauf bestehen werde, Diethelm auf der Schwurbank zu sehen; lasse er es darauf ankommen, daß der Gerichtshof darüber entscheide, so mache das großes Aufsehen und rühre Altes, Eingeschlummertes wieder auf, das ohnehin sich schon wieder geregt habe, drum sei es am Besten: Diethelm melde sich freiwillig.
»Das thu' ich aber nicht,« sagte Diethelm aufstehend, »ich nehm' meine Fränz mit und reise noch in dieser Stunde nach Buchenberg. Was redet man von mir? Sagt's frei heraus.«
Mit der größten Behutsamkeit erzählte der Staatsanwalt, daß schon als Diethelm so rasch abgereist war, sich von Böswilligen ein verdächtiges Gerede über ihn kundgegeben habe, für dessen ersten Urheber er den Steinbauer halte. Als sich nun herausgestellt, daß die Schwiegermutter wirklich gestorben sei, habe Alles geschwiegen. Wenn er aber jetzt abreise, gerade bevor man die Thüre zu dieser Verhandlung öffne, werde sich der Verdacht wieder regen, und er sei es sich und seinen Kindern schuldig, gerade zu zeigen, daß er jeder Oeffentlichkeit sich mit freier Stirn blosstellen könne. Diethelm weigerte sich noch immer, und Fränz stellte sich auf seine Seite, indem sie zu ihrem Bräutigam sagte:
»Gustav, du bist sonst so lieb und gut und bist ein Herzenkenner, aber du kannst nicht ermessen, wie schwer das Gerichthalten dem Vater ankommt. Du bist es das ganze Jahr gewöhnt.«
»Ja, Ihr seid Menschenmetzger und habt kein Mitleid mehr,« fuhr Diethelm auf.
Der Staatsanwalt schluckte den Aerger über diesen Vorwurf hinab, und sagte, die Hand Diethelms fassend:
»Jetzt sag' ich wirklich, thun Sie es mir zulieb, ich kann es um Ihrer und meiner Ehre willen nicht dulden, daß nur ein Augenblinzeln meiner Collegen Den beleidige, den ich Vater nenne. Thun Sie es, so hart es Sie auch ankommt, um unserer Ehre willen. Ich bitte dringend.«
»Brauchet nicht so bitten,« sagte Diethelm mit gepreßter Stimme, denn es wollte ihn bedünken, daß sein Schwiegersohn auch nicht frei von Verdacht war, »brauchet nicht so bitten. Ich thu's, ich thu's.«
Der Staatsanwalt wollte ihn umarmen, aber Diethelm wehrte ab.
Alles war nun so heiter, als es die Trauerpflicht zuließ und ohne noch irgend ein Bedenken in sich aufkommen zu lassen, ging Diethelm zu dem Vorsitzenden und meldete sich freiwillig. Es
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