Schwarzwaelder Dorfgeschichten
dem, was ihm sein verstorbener Bruder gesagt, von den Mittheilungen der Fränz schwieg er; denn er hatte trotz des sympathetischen Gegenmittels noch Liebe genug zu ihr, um nicht auch sie in's Elend zu stürzen und sie zu zwingen, gegen den Vater Zeugniß abzulegen.
Fränz erhielt noch am Abend einen Besuch von ihrer Schwiegermutter, ihr Bräutigam ließ ihr auf die schonendste Weise, die aber doch nicht minder schmerzte, Lebewohl sagen. Der in Diethelm ertödtete Haß gegen die Welt setzte sich nun in Fränz fest.
Diethelm gestand im ersten Verhör seine ganze That mit allen ihren wechselnden Stimmungen bis in die Einzelumstände hinein, aber manchmal sprach er doch verworrene Worte, über die er jedoch bald wieder hinweg kam. Er klagte jämmerlich über die unvertilgbare Kellerkälte, die ihn so sehr plage, und verlangte den rothausgeschlagenen Rock Medards, der ihm allein warm machen könne und in dem er zum Richtplatze gehen wolle.
Die scheinbare Geistesverwirrung Diethelms löste sich wieder. Er verzichtete ausdrücklich auf die Verhandlung vor dem Schwurgericht, wurde aber, da diese Bestimmung der Grundrechte noch galt, nicht zum Tode, sondern zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilt.
Im Zuchthause zu M. saß drei Jahre lang ein zusammen geschnurrtes Männchen, dürr und gebeugt, das immer fror und sich die Hände rieb und mit den Zähnen klapperte; es war schwer in diesem Männchen den einst so stattlichen Diethelm wieder zu erkennen. Dumpf und lautlos verhielt sich der Sträfling und nur manchmal bat er mit aufgehobenen Händen um die Gnade, Holz hacken zu dürfen, da diese Arbeit allein ihn vom Froste erlöse. Erst nach drei Jahren des Wohlverhaltens wurde ihm diese Gnade gewährt und nachdem er die ersten Splitter von den zähen Baumstümpfen gelöst und die Keile eingetrieben hatte, fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete frohlockend die Schweißtropfen, die er abgewischt hatte. Auf's Neue erhob er mit Macht die Axt und die zusammengeschrumpfte Gestalt wurde bei jedem Schlage größer und gewaltiger. Das war wieder der Diethelm von Buchenberg. Plötzlich schrie er laut auf: »Heraus, heraus will ich!« und zerschmetterte sich mit dem Beile das Hirn.
Eine Leiche sank unter die Splitter der Baumstümpfe.
Der anfängliche Wahnsinn Diethelms gab dem Advokaten der Fränz Gelegenheit, die Ansprüche der Feuer-Versicherungsgesellschaft in Frage zu stellen und ein langwieriger Rechtshandel schien sich daran zu knüpfen, den Fränz mit eiserner Unbeugsamkeit und mit Dransetzen eines großen Theils ihres Muttergutes fortführte.
Sie wohnte allein mit einer Magd in dem großen neuen Hause in Buchenberg, kleidete sich wieder in Landestracht und that lustig; sie behielt die Rappen ihres Vaters und fuhr oft damit nach der Stadt zur Betreibung ihres Rechtshandels.
Rothmann brachte noch vor der Wiederherstellung Diethelms einen Vergleich zu Stande, der Fränz noch immer zu einer der reichsten Erbinnen im Oberlande machte. Man sagte, daß sie doch noch den Munde heirathe. Dieß trat aber nicht ein.
Die Missionen kamen in das Oberland und wühlten alle Herzen auf. Ergreifend vor Allen wirkte jener Missionär, den Fränz im Wildbade kennen gelernt hatte. Fränz ward die Stifterin eines Jungfrauenbundes in Buchenberg und die erste Schwester desselben.
Auf den Bahnhof in Friedrichshafen am Bodensee kam eines Tages ein großer Zug von jungen Burschen und Mädchen, sie weinten Alle beim Abschiede von einer abgehärmten Mädchengestalt, die eine Nonne geleitete und schauten ihr noch lange traurig nach als sie mit dem Dampfschiff nach der Schweiz fuhr.
Das schöne Haus in Buchenberg gehört jetzt dem Kloster Einsiedel in der Schweiz. Wer weiß, welche Bestimmung es haben soll!
Sechster Band.
Brosi und Moni.
(1852.)
Brosi und Moni.
Wie Geigen- und Klarinettenton klingt es in der ganzen Umgegend von Haldenbrunn wenn man diese Namen nennt, und allerorten heißt es: so giebt es keine Menschen mehr, so lustig und so gut und so glücklich.
Es ist eine Freude, solche Menschen gekannt zu haben und eine höhere Freude, sie Andern bekannt zu machen und ihnen damit eine reine Erquickung zu schenken. Aber freilich, das geht schwer. Wer nicht ein Auge mitbringt, in dem die Menschenliebe leuchtet, und wer nicht seine Lust hat an unverwüstlichem Lebensmuth – der wird am Ende weiter nichts sehen als zwei alte knochendürre Gestalten.
Wir gehen ab der Landstraße einen ziemlich schroffen Berg
Weitere Kostenlose Bücher