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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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alter Freund Reppenbergers war, mußte dessen Vertheidiger ihn festhalten. Er sprach daher auch mit Rothmann Allerlei, aber nichts eigentlich über die Angelegenheit Reppenbergers. Nur beiläufig bemerkte er, daß die Geschwornen bös gestimmt werden, wenn man Sachen, die nicht daher gehören, anbringe. Er hoffte, daß ihn Rothmann verstanden habe und von dem ihn betroffenen Fall nichts erwähnen werde. Rothmann nickte still. Es kam Diethelm der Gedanke, zu dem Vorsitzenden zu gehen und ihm zu sagen, daß er heim müsse, seine Frau sei todtkrank, aber er wagte es doch nicht, dies auszuführen. Er ging noch in das Wirthshaus, wo sich in der Regel die Geschwornen versammelten, und hier kam es endlich zu heftigem Streit zwischen ihm und dem Steinbauer, dessen sicherer aber auch boshafter und verurtheilungssüchtiger Charakter ihm stets zuwider gewesen war.
    Mit besonderm Behagen und listigem Augenzwinkern spielte der Steinbauer wiederholt darauf an, daß sie morgen einen Schwarzkünstler (so nannte er stets spöttisch die Brandstifter) einthun wollten, damit die Brandsteuer nicht immer wachse.
    Anfangs hörte Diethelm ruhig zu, bis er glaubte, daß Stillschweigen ihm mißdeutet würde, und bald war er mit dem Steinbauer im heftigsten Streit. Der Steinbauer, der stets so kaltblütig und wortkarg war, zeigte sich unbändig wild, wenn er in Zorn gebracht wurde. Er ließ es an gedeckten und doch bitter hässigen Reden gegen Diethelm nicht fehlen, und nur dem Schultheiß von Rettinghausen gelang es, Tätlichkeiten zu vermeiden.
    Als trüge er noch all' das Lärmen und Schreien im Kopf, so wirr kam Diethelmendlich in seinem Quartier an und faßte den festen Vorsatz, noch das Letzte zu thun und ohne ein Zeichen der Betroffenheit den morgigen Verhandlungen beizuwohnen.
    Mitten in der Nacht erwachte er, er war an einem Schrei aufgeschreckt, den er noch wachend zu vernehmen glaubte. Er hatte im Traume seine Frau krank gesehen, und sie rief ihm mit so jammervoller Stimme, daß sein Herz noch laut pochte. Er machte sich rasch auf, verließ das Haus und die Stadt und eilte heimwärts. Immer fester glaubte er daran, daß seine Frau mit dem Tode ringe und nicht sterben könne, bis er bei ihr sei, und daß sie noch im Tode ihn so sehr liebe, daß sie ihn wegrief von all' den Schrecken, die seiner harrten und denen er vielleicht doch nicht Trotz bieten könne. Die nie ganz erloschene Zuneigung zu seiner Frau flammte in ihm auf, und weinend wie ein Kind rannte er dahin. Am Herbsthimmel schossen Sternschnuppen in weiten Bogen hin und her, mit vertrauender Innigkeit sprach Diethelm beim Aufblicke den Wunsch aus, daß seine Frau leben bleiben und Alles mit ihnen gut sein möge.
    Kaum eine Stunde war Diethelm gegangen, als er vor einem Berge wie festgewurzelt stand. Wehe! Von der Bergesspitze herunter kam wie aus dem Himmel heraus eine Heerde Schafe, die blöckten so jämmerlich, wie damals in den Flammen. Diethelm setzte sich nieder und wusch sich die Augen mit dem Thau, der auf dem Grase lag, er wollte gewiß sein, daß er nicht träume. Er schlug die Augen auf, aber immer näher, immer näher kam es wie ein Hirt und eine Heerde, und aus der Brust Diethelms rang sich der Schrei los:
    »Was willst du?«
    Keine Antwort. Im Laub auf dem Wege raschelten Schritte. Ist das der Gang des Geistes? Es nahte sich und jetzt stand es vor ihm.
    »Seid Ihr's Diethelm?« sprach eine Stimme.
    »Bist du's Munde?« rang Diethelm heraus.
    »Ja. Wie kommt Ihr daher? Was habt Ihr? Aber das geht mich nichts an. Eure Frau schickt mich zu Euch, Ihr sollet gleich heimkommen, sie liegt schwer krank. Jetzt hab' ich's ausgerichtet, und nun red' ich kein Wort mehr mit dem Diethelm, so lang er lebt.«
    »O Himmel! O Himmel! Ich hab's geahnt, daß meine Frau todtkrank ist,« schrie Diethelm. »Hilf mir auf Munde, ich kann ja nicht aufstehen.«
    »Meinetwegen. So,« sagte Munde, ihn aufrichtend, »Ihr seid mein Feind, aber ich will's doch thun.«
    »Ich bin nicht dein Feind, gewiß nicht, gewiß nicht, Munde, glaub' mir. Meine Frau weiß das auch. Warum hat sie just dich geschickt?«
    »Sie hat mich grad in der Stunde, wo ich zum Manöver fortgewollt hab', rufen lassen und hat mich noch gebeten, Euch gut Freund zu sein. Ich hab's ihr aber nicht versprechen können. Nie, nie werde ich Euch gut Freund, so gern ich auch Eurer Frau noch was Gutes gethan hätt'. Ich muß meinem Vater vor Allem Wort halten, und lügen kann ich nicht, auch nicht zu Einem, das stirbt. Ich hab'

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