Schwarzwaelder Dorfgeschichten
mit einem Haufen Kinder in Armuth lebte und noch besonders zänkisch gegen Brosi war, weil er nicht seinen sämmtlichen Erwerb in ihr Hauswesen einbrockte.
Brosi war schon lange damit umgegangen, sich in der Gegend eine andere Unterkunft zu suchen, aber es wollte sich nicht schicken, und jetzt stand sein Vorhaben fest, in die weite Welt zu ziehen.
So oft er aber am Hause des Apothekerrösle vorüberging, war es ihm, als zöge ihn etwas da hinein, und er hätte gewiß an einen Zauber geglaubt, wenn er nicht gewußt hätte, daß ein Anderes dabei waltete.
Schon drei-, viermal hatte er eine Hinneigung zu dem allzeit rüstigen Mädchen in sich aufkommen lassen und wieder bekämpft, noch bevor er, wie man sagt, ein übriges Wort mit dem Mädchen gesprochen hatte; ja den nöthigen Morgengruß auf dem Stege sprach er oft verdrossen und fast zornig, immer aber wurde ihm mit gleicher Freundlichkeit erwidert.
Als der Bauer von der langen Furche, der nachmals ein so schweres Geschick hatte, das wir ein andermal berichten müssen, mit des Schmalzgrafen Tochter von Siebenhöfen Hochzeit hielt, und drei Tage lang das Tanzen und Prassen nicht ausging, da machte sich der Brosi auch einen arbeitsledigen Tag und war voll übermüthiger Lustigkeit.
Er tanzte mit der Braut den Siebensprung und mit der ersten Brautjungfer, der Schwester des Furchenbauern, den Hoppetvogel (wobei man nach bestimmter Weisung wie ein Vogel hüpft und nach Futter scharrt) so meisterlich, daß selbst die Alten auf ihn zukamen und ihm als höchstes Lob die Versicherung gaben, daß sie zu ihrer Zeit nicht besser hätten tanzen können. Und immer lustiger ward der Brosi, und jeder Bursche, der den Musikanten ein Lied vorsang, daß sie es als Tanzweise spielen sollten, und der damit nicht vom Fleck kam, fand im Brosi eine allzeit bereite Hülfe; er kannte alle Lieder und alle Weisen und hatte eine helle, Alle übertönende nie heisernde Stimme. Die Monika, die Tochter des Apothekerrösle von Haldenbrunn, war auch auf dem Tanz. Sie durfte sich wohl sehen lassen, sie war nett und sauber gekleidet und trug einen Rosmarinstrauß am Busen: von Gestalt untersetzt mit einem apfelrunden Gesicht von wenigem Ausdruck, zeigte sich doch um die festgeschlossenen feinen Lippen, zu welcher Lebendigkeit dieses Mädchen gebracht werden könnte, wenn der Rechte sich einfand. Brosi bedachte, daß die Monika gewiß nur seinetwegen gekommen sei, aber er sah sich kaum nach ihr um und hatte noch im Stillen die Schadenfreude, ihr einen Plan zu Schanden zu machen; sie hatte ihn gewiß seit Monaten allmorgendlich nur so freundlich gegrüßt, um einen sichern Tänzer für den heutigen Tag zu haben; jetzt hatte sie das Zusehen. Brosi tanzte immer nur mit den fürnehmsten Bauerntöchtern, besonders mit der Schwester des Furchenbauern, die er sich endlich just im Angesicht der Monika auf den Schooß setzte und dabei sang und trank, als ob die ganze Welt nur ihm gehörte, und im Tanzen hielt er's, als ob jeder Reigen der erste wäre, aufstampfend, singend, mit den Händen schnalzend that er, als könne er von Müdigkeit und Sättigung der Lust gar nichts wissen.
Einmal saß er, die erste Brautjungfer auf dem Schooß, in einer Pause am Tisch, mit dem Gesicht nach dem Tanzraum gekehrt, da rief er:
»Heut' tanz' ich meinen Kehraus in der hiesigen Gegend. Wenn die Schwalben davon ziehen, gehe ich in die weite Welt. Wer mich haben will, muß es heut' sagen und heut' noch Hochzeit machen.«
Ein guter Schwarm Mädchen kam auf ihn zu und umringte ihn neckend und spottend und wiederum bittend, er möge doch ja nicht fortgehen. Als er aber immer darauf bestand, rief die Brautjungfer: »Dann binden wir dich an. Kommet nur Alle.«
Im Nu hatten sich Alle nach dem Beispiele der ersten Brautjungfer ihre doppelten Zöpfe mit den fliegenden langen rothen Bändern auf die Brust gelegt und nestelten nun die Bänder an Brosi fest. Er ließ es geschehen und mit einem schrillen Juchhe sprang er auf, stampfte auf den Boden und sang:
Spielleut spielet auf und auf
Und seid nicht so verzagt,
I han noch ein Vögeles-
Groschen im Sack.
Die Musikanten ließen die Weisung ertönen und Brosi sprang an die Decke mit jauchzendem Juchhe und machte allerlei Figuren während die Mädchen, mit den rothen Zopfbändern an ihn geheftet, ihn umtanzten. Plötzlich warf er sich auf den Boden und sang:
Weil Scheiden bitter ist
Und 's'lieben süß,
Jetzt leg i meim alten Schatz
D' Händ' unter d'
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