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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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sich allein; der Michel war nie verheirathet gewesen.
    Eine blau angestrichene, lange, sogenannte Bankkiste war die erste Ursache des Bruderhasses.
    Nach dem Tode der Mutter sollte Alles getheilt werden; die im Dorfe verheirathete Schwester hatte schon ihr Pflichttheil bekommen. Der Koanradle behauptete, er habe die Kiste aus seinem eigenen Gelde gekauft, das er sich als Wegknecht durch Steinschlagen auf der Straße verdient, er habe sie nur der Mutter geliehen, und sie sei sein eigen; der Michel aber behauptete, der Koanradle habe der Mutter Brod gegessen und habe somit kein eigenes Vermögen. Nach einem persönlich heftigen Streite kam die Sache vor den Schultheiß und sodann vor das Gericht; es wurde entschieden, daß, da die Brüder nicht übereinkommen können, Alles im Hause samt der Kiste verkauft und der Erlös getheilt werden solle. Ja, das Haus selber wurde versteigert; da sich aber kein Käufer dafür fand, mußten es in Gottes Namen die Brüder behalten.
    Die Brüder mußten nun ihre eigenen Sachen, ihr Bett und anderes öffentlich wieder kaufen. Das machte dem Koanradle manchen Kummer, denn er hatte etwas mehr Empfindung als gewöhnlich. – Es gibt in jedem Hause mancherlei Dinge, die keinem Fremden für Geld zu haben sind; sie sind viel mehr werth, als man eigentlich dafür bezahlen kann, denn es haften Gedanken und Lebenserinnerungen daran, die für keinen andern in der Welt Werth haben.
    Solche Sachen müssen sich still von Geschlecht zu Geschlecht forterben; dadurch bleibt ihr steter innerer Werth unangetastet. Muß man sie aber erst wieder aus den Händen anderer reißen und um Geld mit Fremden darum ringen, so ist ein großer Teil ihrer ursprünglichen Weihe dahin; sie sind in ihrem Geldeswerthe errungen und nicht still, man möchte sagen, wie ein Heiligtum, ererbt. Solcherlei Gedanken waren es, worüber der Koanradle oft den Kopf schüttelte, wenn ihm ein altes Hausgeräthe zugeschlagen wurde; und als das in schwarzen Samt eingebundene Gesangbuch der Mutter mit den silbernen Spangen und den silbernen Buckeln zum Verkaufe kam und ein Trödler das Silber in der Hand wog, um das Gewicht zu schätzen, schoß ihm alles Blut in den Kopf. Er steigerte das Gesangbuch um hohen Preis.
    Endlich kam die Kiste an die Reihe. Der Michel räusperte sich laut und betrachtete mit einem herausfordernden Blicke seinen Bruder; er setzte sogleich eine namhafte Summe darauf. Der Koanradle bot schnell einen Gulden mehr, ohne dabei aufzuschauen, und zählte die Knöpfe an seinem Wams. Der Michel aber bot, sich keck umschauend, höher: kein Fremder steigerte mit, und von den Brüdern wollte zum Hohne keiner dem andern die Streitsache lassen. Ein jeder dachte auch bei sich: du brauchst ja nur die Hälfte zu bezahlen, und so gingen sie immer höher und höher, und endlich wurde die Kiste für mehr als das Fünffache ihres Werthes, für achtundzwanzig Gulden, dem Koanradle zugeschlagen.
    Jetzt erst schaute er auf, und sein Gesicht war ganz verändert; Hohn und Spott sprachen aus den aufgerissenen Augen, dem offenen Munde und dem ganzen vorgebeugten Antlitze. »Wenn du stirbst, so schenk' ich dir die Kist', daß man dich drein n'einlegt,« sagte er zitternd vor Wuth zum Michel, und das waren die letzten Worte, die er seit vierzehn Jahren zu ihm gesprochen hat.
    Im ganzen Dorfe wurde die Kistengeschichte zu allerlei Spaß und Lustbarkeit benutzt, und wo einer den Koanradle sah, bemerkte er, wie schändlich der Michel gehandelt habe, und der Koanradle redete sich immer mehr in Wuth gegen seinen Bruder hinein.
    Auch sonst waren die beiden Brüder ganz verschiedener Sinnesart und gingen auch ihre verschiedenen Wege.
    Der Koanradle hielt sich eine Kuh, die er mit der Kuh seines Nachbarn Christian zur Feldarbeit zusammenspannte. In der übrigen Zeit schlug er für fünfzehn Kreuzer des Tages Steine auf der Straße. Auch war der Koanradle sehr beisichtig; er trat unsicher auf, und wenn er sich Feuer schlug, brachte er den Zunder immer nahe zur Nase, um dadurch gewiß zu sein, daß er brenne. Er hieß im ganzen Dorfe der »blind' Koanradle«; das le wurde ihm gegeben, weil er eine kurze, untersetzte Gestalt hatte.
    Der Michel hingegen war gerade das Gegenspiel. Er war lang und hager und schritt ganz sicher einher; er trug sich vollkommen bäuerisch, nicht weil er ein besonderer Bauer war, denn er war eigentlich gar keiner, sondern weil ihm das zu seinem Handel sehr förderlich war. Er handelte nämlich mit alten Pferden, und die

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