Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Aufrührern, von eingebildeten Herrenbauern, die einmal mit einem Advokaten einen Schoppen getrunken, die läuten hörten und nicht wüßten wo? Von dieser allgemeinen Abschweifung ging er sodann wieder auf das Vorliegende über; er nannte einzelne Anwesende bei Namen, lobte sie als ruhige, verständige Bürger, die zu einer solchen That unfähig seien. Er sprach seine tiefe Ueberzeugung aus, daß sie sich von dem Buchmaier hatten verleiten lassen; er beschwor sie bei ihrem Gewissen, bei ihrem Gehorsam gegen König und Gesetz, bei ihrer Liebe zu Frau und Kindern, die schwere Schuld nicht auf sich zu laden, offen und frei die Verführung zu bekennen, und ihre Strafe werde mild sein.
Wiederum herrschte Stille; Einige sahen einander an und blickten dann verlegen zur Erde. Der Buchmaier erhob sein Antlitz hoch und kühn, er schaute Allen frei in's Angesicht, seine Brust hob sich, erwartungsvoll hielt er den Athem an. Der Mathes hatte schon den Mund geöffnet, um zu sprechen; da hielt ihm der Schmiedhannes den Mund zu, denn eben erhob sich der alte Schultheiß, der von allen Anwesenden allein auf einem Stuhle gesessen hatte. Mit schweren Tritten, die Füße kaum erhebend, ging er vor an den grünen Tisch, Anfangs keuchend und oft Athem holend, dann aber in fließender Rede sagte er: »Groß Dank für die gute Nachred', die Ihr mir und andern gehalten habt, Herr Oberamtmann, aber was der Buchmaier gesagt hat, unterschreibe ich aufs Tüpfele 8 hin. Wenn's noch einen Beweiß braucht', daß uns die Herren wie kleine Kinder, wie Unmündige ansehen, so hättet Ihr ihn geliefert, Herr Oberamtmann; nein, ich bin 76 Jahre alt und bin zwanzig Jahre Schultheiß gewesen. Wir sind keine Kinder, die sich zu so etwas wie zu einem Bubenstreich verführen lassen, die Axt bleibt bei mir, bis man mir sechs Bretter mitgibt. Wer als ein Kind dasteht, der soll's nur bekennen: Ich bin ein Mann, der weiß, was er thut; wenn's zur Straf' kommt, bin ich auch dabei.«
»Wir auch!« riefen alle Bauern wie aus einem Mund; die Stimme des Mathes tönte vor.
Das Antlitz des Buchmaiers war wie mit Licht übergossen; er faßte noch mit der rechten Hand seine Axt und drückte sie innig an's Herz.
Nachdem die herkömmlichen Förmlichkeiten beendet, das Protocoll unterschrieben und der Buchmaier sich eine Abschrift davon erbeten hatte, verließen die Bauern still die Oberamtei.
Noch mehrere andere Gemeinden thaten Einsprache gegen die neue Verordnung; die Sache kam bis vor die Kreisregierung. Diejenigen, welche auf eine so ungebührliche Weise mit den Aexten selber Einsprache gethan hatten, wurden um eine namhafte Summe bestraft. Indes wurde nach einiger Zeit der Oberamtmann Rellings versetzt, die Verordnung aber nicht mehr erneuert.
Nach wie vor tragen die Mannen ihre Axt am linken Arme.
Ich erzähle wohl ein andermal noch Weiteres vom Buchmaier.
Fußnoten
1 Wegen dieser Nesteln statt der Knöpfe gehören die Schwarzwälder zu den Nestelschwaben.
2 Man nennt im Schwarzwalde einen Kater Relling.
3 Erst Rathen, nachher Braten.
4 Tatzen, Schläge auf die Hand.
5 Topf.
6 Sprüchwörtlich, so viel als: das äußerste Fluchtmittel ergreifen.
7 Kartoffeln.
8 Pünktchen.
VI.
Die feindlichen Brüder.
In der spärlich bewohnten kalten Gasse, »der Kniebis« genannt, steht ein kleines Häuschen, das außer einem Stall und einem Schuppen nur drei zum Teil mit Papier zugeklebte Fenster hat; oben am Dachfenster hängt ein Laden nur an einer Angel und droht jeden Augenblick herunter zu fallen. Neben dem Hause ist ein kleines Gärtchen, das noch durch einen der Länge nach hindurchlaufenden Zaun von dürren Dornen in zwei Hälften geschieden ist. In dem Hause wohnten zwei Brüder schon seit vierzehn Jahren in unabänderlicher Feindschaft. Wie im Garten, so war auch im Hause alles getheilt, von der Dachkammer bis hinab in den kleinen Keller; die Fallthüre war offen, aber drunten hatte jeder seinen durch Latten abgetheilten verschlossenen Raum. Auch sonst waren an allen Thüren noch Hängeschlösser befestigt, als ob man stündlich den Ueberfall von Dieben fürchtete; der Stall gehörte dem einen, der Schuppen dem andern Bruder. Kein Wort wurde im Hause vernommen, wenn nicht einer bisweilen laut vor sich hin fluchte.
Michel und Koanradle, so hießen die beiden Brüder, waren beide schon sehr bei Jahren und beide unbeweibt. Dem Koanradle war seine Frau schon früh gestorben, und er lebte nun so für
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