Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Leute haben weit mehr Zutrauen zu einem Pferde, das sie von einem bäuerisch gekleideten Manne kaufen. Der Michel war ein verdorbener Hufschmied; er verpachtete und verkaufte zum Teil seine Aecker, legte sich ganz auf den Pferdehandel und führte dabei ein Herrenleben. Er war eine wichtige Person in der ganzen Gegend. Er kannte auf sechs, acht Stunden im Umkreis, im Württembergischen, im ganzen Sigmaringer und Hechinger »Ländle« und bis in's Badische hinein den Zustand und das Kontingent der Ställe so gut wie ein großer Staatsmann die statistischen Berichte fremder Staaten und die Stellung der Kabinette; und wie dieser in den Zeitungen, so sondierte Michel die Stimmung des Volkes in den Wirthshäusern. Er hatte auch in jedem Orte einen Thunichtgut als Residenten, mit denen er manche geheime Konferenzen hielt und die im Nothfalle eine Stafette zum Michel sandten, nämlich sich selber, für die sie weiter nichts verlangten, als ein gutes Trinkgeld im buchstäblichen Sinne des Wortes. Dann aber hatte auch Michel geheime Agenten, die die Leute zu Revolutionen in ihren Ställen verleiteten, und so kam es, daß in seinem Schuppen, der als Stall diente, fast immer ein Marode-Gaul war, den er für einen neuen Feldzug, für die Oeffentlichkeit, d.h. für den Verkauf auf dem Markt zustutzte. Er färbte die Haare über den Augen, er feilte die Zähne, und wenn das arme Thier auch nichts mehr als Kleien fressen konnte und bei anderem Futter verhungern mußte, ihn kümmerte das wenig, denn er schlug es auf dem nächsten Markte unfehlbar wieder los.
Dabei hatte er seine besonderen Kunststückchen; er stellte z.B. einen Helfershelfer auf, der zum Scheine einen Tausch mit ihm machen wollte; sie lärmten dabei ganz ungeheuer, dann rief aber der Michel ganz laut: »Ich kann nicht tauschen, ich hab' kein Futter und keinen Platz, und wenn ich den Gaul für eine Karolin weggeben muß, fort muß er!« Oder er machte es noch gescheiter: er stellte für ein paar Kreuzer ein dummes Bäuerchen hin, gab ihm den Gaul, ließ sich ihn vorreiten und sagte: »Wenn ein rechter Bauer das Thier hätt', da könnt' man einen schönen Gaul hinfüttern; das Gestell ist überaus, die Knochen sind englisch, dem fehlt nichts als Fleisch, und da ist er seine zwanzig Karolin werth.« Dann brachte er einen Käufer, bedingte sich noch ein Unterhändlergeld und erhielt beim Verkaufe seines eigenen Pferdes noch einen Nebenverdienst. Am meisten war der Michel den gerichtlichen Urkunden feind, in denen man gegen die Hauptfehler gewährleisten mußte; er ließ, wenn es drauf und dran kam, lieber noch ein paar Gulden nach, ehe er solche Verbindlichkeiten einging. Dabei hatte er aber doch manchen Proceß, der den Gaul samt dem Profit auffraß; aber es liegt in dieser Art Leben, von freiem, arbeitslosem Herumstreifen etwas so Verführerisches, und der Michel rechnete immer auch wieder eins in's andere, daß er vom Pferdehandel nicht lassen konnte. Sein Grundsatz war: »Ich geh' nicht vom Markt, gepatscht muß sein.« Damit meinte er, ein Handel muß abgeschlossen sein, wobei man die Hände schallend zusammenschlägt. Die Handelsjuden auf den Märkten waren ihm auch vielfach behilflich, und er spielte wieder mit ihnen unter Einer Decke.
Wenn der Michel so zu Markte ritt oder vom Markte heimfuhr und der Koanradle an der Straße Steine schlug, da sah er seinen Bruder halb mitleidig, halb höhnisch an, denn er dachte: »O du armer Schelm! Schlägst Stein' von morgens bis Abends um fünfzehn Kreuzer, und ich verdiene, wenn's nur ein bißle gut geht, fünfzehn Gulden.«
Der Koanradle, der das mit seinen blöden Augen doch bemerkte, schlug dann auf die Steine, daß die Splitter weit umherspritzten.
Wir wollen aber sehen, wer es weiter bringt, der Michel oder der Koanradle.
Der Michel war einer der beliebtesten Unterhaltungsmenschen im ganzen Dorfe, denn er konnte Tag und Nacht immerfort erzählen, so viel Schliche und Streiche wußte er, und er kannte auch Gott und die Welt. Freilich Gott kannte er wenig, obgleich er manchmal in die Kirche ging, denn davon kann sich auf dem Lande keiner ganz ausschließen; aber er ging eben in die Kirche wie gar viele, ohne etwas dabei zu denken und sein Leben danach einzurichten.
Der Koanradle hatte auch seine Untugenden, und dazu gehörte besonders sein Haß gegen seinen Bruder und die Art, wie er denselben äußerte. Wenn man ihn fragte: »Wie geht's deinem Michel?« antwortete er immer: »Dem geht's noch so;« dabei machte er
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