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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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gleich hingegangen.
    Den Michel traf die Vorladung, als er gerade einem alten Gaul »seine Sonntagsstiefel schmierte«, so hieß er nämlich das Aufputzen der Hufe; er pfiff dann die Melodie eines unzüchtigen Liedes, hörte aber doch mitten drin auf, denn er wußte wohl, was es morgen geben würde. Er war froh, daß er sich auch noch auf eine tüchtig gesalzene Gegenpredigt vorbereiten konnte; ein paar Brocken davon murmelte er schon jetzt leise vor sich hin.
    Am Sonntag Morgen hielt der Pfarrer eine Predigt über den Text Psalm 133, Vers 1: »Siehe, wie gut und wie lieblich ist's, wenn Brüder beisammen sitzen.« Er zeigte, wie alles Glück und alle Freude auf Erden nur halb oder gar nichtig ist, wenn wir es nicht mit denen genießen und theilen, die unter demselben Mutterherzen wie wir geruht; er zeigte, wie die Eltern diesseits nicht glücklich und jenseits nicht selig werden können, deren Kinder Haß, Neid und Bosheit trennt; er wies auf das Beispiel von Kain und Abel hin und zeigte, wie der Brudermord die erste giftige Frucht des Sündenfalls war. Alles dieß und wohl noch viel mehr sprach der Pfarrer mit klangvoller donnernder Stimme, so daß die Bauern von ihr sagten: »sie druckt die Wänd' aus einander«. Aber freilich ist es oft fast noch leichter, die Wände auseinander zu drücken, als die verhärtete, verschlossene Brust der Menschen zu öffnen. Die Bärbel weinte bittere Thränen über die Hartherzigkeit ihrer Brüder, und obgleich der Pfarrer zehnmal wiederholte, er meine nicht diesen oder jenen, sondern jeder möge die Hand aufs Herz legen und fragen, ob er die echte Liebe gegen die Seinigen hege, so dachte doch eben jeder nur: »Das geht auf den Michel und den Koanradle, das ist bloß auf die gemünzt.«
    Diese beiden standen nicht weit voneinander, der Michel kaute an seiner Mütze, die er zwischen den Zähnen hielt, der Koanradle aber hörte mit offenem Munde zu, und als sich einmal die Blicke beider begegneten, fiel dem Michel die Mütze aus der Hand, und er bückte sich schnell.
    Das Lied machte einen sanften, beruhigenden Schluß; aber noch ehe die letzten Töne verklungen waren, war der Michel aus der Kirche und stand vor der Thüre des Pfarrhauses. Sie war noch geschlossen; er ging in den Garten. Lange stand er hier an den Bienenstöcken und sah dem emsigen Treiben der Thierchen zu:
     
    »Die wissen's nit, daß Sunntig isch,«
     
    und er dachte: »Du hast auch keinen Sonntag bei deinem Handel, denn du hast auch keinen rechten Werktag,« und er dachte wieder: »Wie viel hundert Geschwister in so einem Bienenstock bei einander wohnen, und alle arbeiten, wie die Alten;« aber er blieb nicht lange bei derlei Gedanken, sondern nahm sich vor, sich von dem Pfarrer keine Trense aufsetzen zu lassen, und als er nach dem Gottesacker drüben sah, dachte er an die letzten Worte Koanradles, und seine Fäuste ballten sich.
    Im Pfarrhause traf der Michel den Pfarrer und den Koanradle schon in eifrigem Gespräche beisammen; der Pfarrer stand auf; er schien den Ankömmling nicht mehr erwartet zu haben. Er bot Michel einen Stuhl an; auf seinen Bruder deutend, erwiderte aber Michel:
    »Herr Pfarrer, allen Respekt vor Euch, aber ich setz' mich nicht nieder, wo der da ist; Herr Pfarrer, Ihr seid erst kurz im Dorf, Ihr wisset nicht, was der für ein Lugenbeutel ist, das ist ein scheinheiliger Duckmäuser, der hat's aber faustdick hinter den Ohren. Alle Kinder machen ihm nach,« fuhr er zähneknirschend fort, »wie geht's deinem Michel?« er machte nun ebenfalls die uns sattsam bekannten Manieren, dann sagte er wieder, zitternd vor Wuth: »Herr Pfarrer, der da ist an meinem Unglück schuldig, er hat mir den Frieden im Haus verscheucht, und ich hab' mich dem Teufel mit seinem Roßhandel ergeben. Du hast mir's prophezeit, du,« sagte er, auf seinen Bruder losfahrend; »ich häng' mich noch an einem Roßhalfter auf, aber zuerst mußt du d'ran.«
    Der Pfarrer ließ die beiden Brüder austoben; er gebrauchte seine Würde nur in so weit, um von Tätlichkeiten zurückzuhalten. Er wußte wohl, daß, wenn der lang verhaltene Ingrimm ausgeschüttet, auch die Liebe zum Vorschein kommen müsse, aber er täuschte sich noch halb.
    Endlich saßen die beiden Brüder wortlos und nur noch laut athmend da, keiner regte sich. Da sprach der Pfarrer zuerst mit sanften Worten, er öffnete alle verborgenen Falten des Herzens; es half nichts! die beiden sahen zur Erde. – Der Pfarrer schilderte ihnen die Qualen ihrer Eltern im Jenseits,

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