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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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sein Antlitz, noch ein höheres Gefühl strahlte darauf: er empfand den höchsten Genuß darin, daß die Leute alle so eine recht innige Freude mit ihm hatten. Das innerste Streben seines Herzens fand eine wohlige Befriedigung.
    Wie »heimelich« war es dann Ivo Abends wieder, als er zu Hause im Bette lag, als seine Mutter zu ihm kam und ihn sorgfältig zudeckte.
    Weiße Weihnachten, grüne Ostern; das war dieses Jahr eingetroffen. Andern Tages war Ostersonntag, Alles schien doppelt hell und grün. Ivo stand wieder wie vordem unter dem Nußbaume, an dem die bräunlich zarten Blätter noch scheu in sich zusammengehüllt waren; er betrachtete wieder mit alter Lust seine Tauben, aber er sang nicht mehr, das schickte sich nicht für ihn.
    Nach der Mittagskirche machte sich Ivo auf den Weg, um nach Horb zu gehen. Draußen im Scheubuß, an des Paules Garten, saßen mehrere Frauen auf dem Brückenmäuerchen bei der Trauerweide, deren Aeste in allerlei Bogen verwachsen sind. Sie standen alle ehrerbietig auf, als Ivo freundlich grüßte, eine aber trat auf ihn zu, und nachdem sie ihre Hand mehrmals an der Schürze abgerieben hatte, reichte sie ihm dieselbe; wir kennen sie noch wohl, obgleich sie sehr gealtert hat: es ist die Mutter Marei.
    »Grüß Gott, Ivo,« sagte sie, »du bist recht gewachsen; ich ihrze dich nicht, bis du einmal im Seminar zu Rottenburg bist.«
    »Ihr dürfet allfort du sagen, Bas.«
    »Nein, nein, das geht nicht.«
    Die andern Frauen kamen auch herbei und betrachteten den jungen Hajrle, aber keine redete ein Wort, so scheu waren sie vor ihm.
    »Wie geht's dem Mathes und dem Aloys in Amerika?« fragte Ivo.
    »Guck, das ist brav, daß du an sie denkst. Mein Aloys hat mir erst wieder geschrieben. Du weißt, er ist schon lang geheirath't mit der Mechtild', du kennst sie wohl, da des Mathesen vom Berg; sie haben auch schon zwei Kinder, ich möcht' sie nur ein gotzig's 6 mal sehen. Man ist doch wie halb gestorben, wenn man so verdammt weit voneinander ist. Ich muß meinem Mathes und meinem Aloys seine Kinder sehen, und die Söhnerin 7 , die Amerikanerin, die kenn' ich ja noch gar nicht. Meine Buben schreiben mir allfort, ich soll kommen und kommen; ja wenn's nur nicht so grausam weit wär' nach dem Amerika; sie wollen mich in Havre de grace abholen, und wenn's Gottes Wille ist, geh' ich nach Pfingsten mit Auswanderern von Rexingen fort. Wenn mich unser Herrgott zu sich nehmen will, weiß er mich schon zu finden, wo ich bin. Gelt, hab' ich recht?«
    Ivo nickte bejahend, und Marei, ein sorgfältig eingewickeltes Papier aus der Tasche holend, sagte: »Guck, das ist der neu' Brief, du thätst einen Gotteslohn, komm mit 'rein, lies mir ihn noch einmal vor; ich kann nicht Geschriebenes lesen. Unser Schullehrer, dem ist's überleid, und der Judenschullehrer hat mir ihn auch schon dreimal vorgelesen: es ist aber ein Wort darin, das können sie all' beide nicht 'rausbuchstabieren; du bist g'studiert, du kannst's gewiß.«
    Ivo ging mit Marei in ihr Hans, die andern Frauen folgten erst schüchtern, dann aber herzhaft nach und setzten sich still horchend.
    Ivo las, und es wird wohl manchem alten Freunde des Tolpatsch lieb sein, mit zuzuhören:
     
    »Nordstetten in Amerika am Ohioflusse,
    den 18. Oktober 18–
     
    Liebe Mutter. Da Ihr nicht wisset, wie mir's geht, so will ich's Euch schreiben. Ich hab's Euch von Anfang als gar nicht geschrieben, wie hart mir's gegangen ist; das ist jetzund mit Gottes Hulf vorbei. Ich hab' als gedenkt, was braucht sich dein Mütterle auch noch zu grämen, sie kann dir doch nicht helfen? und da hab ich Alles in mich 'nein verschluckt und hab' gepfiffen und dabei recht geschafft.«
    Hier hielt Ivo einen Augenblick inne, er schien sich das zur Lehre zu nehmen; dann fuhr er fort:
    Nun, jetzt ist Alles im Stand, es ist kein' Kleinigkeit, wenn man sich so ein Haus bauen und alle Aecker zum erstenmale umzackern muß und neane 8 kein Hulf und kein Rath von keinem Menschen: jetzt sieht's aber bei mir aus, schöner als beim Buchmaier. Es hat Armschmalz gekostet, wir sind aber doch gesund, und das ist das Best'. Viele von unseren Landsleuten sind hier und haben's ärger als drüben und müssen an der Straß' schanzen. Es gibt hier gar viele Verführer, wenn man ans Land kommt, die einem, weiß nicht was, vorschwätzen, bis man keinen rothen Heller mehr im Sack hat, und darnach: hast mich gesehen, fort sind sie. Es gibt recht scheinheilige Menschen, hüben und drüben; die Ueberfahrt putzt nur den

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