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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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geleugnet und die Schuld auf den Betramer geschoben, bis sich's bewiesen hat, daß er's gethan hat. Bruderherz!« sagte Nazi, die Hand Ivo's fassend, »was ich im Zuchthaus ausgestanden hab', das ist nicht zu vermelden; in der Höll' kann man bei keinem schlechteren Gesindel sein, ich hab' aber Alles gern ertragen und hab's als Sündenschuld für mein vergangen Leben angesehen.
    Einmal hab' ich auch dem Pfarrer gebeichtet und hab' ihm Alles erzählt. Er hat gesagt: ich hätt' neues Unrecht gethan, ich hätt' mein Vermögen der Kirch' vermachen müssen; seitdem ließ' ich mich eher verreißen, eh' ich an einen Beichtstuhl geh'! Wie ich 'nauskommen bin, war mein erstes, daß ich den Hellauf wieder aufgesucht hab', der Dick' hat ihn zu sich genommen; aber sie haben gesagt, der Hund sei, wie ich fort gewesen bin, toll geworden, und da haben sie ihn auf den Kopf geschlagen. Des Dicken hätten mich gern bei sich behalten, aber ihr Haus war ganz verruiniert: die Mutter ist ein Jahr lang nicht ans Tageslicht gegangen, nur nachts nimmt sie ein Laternle und geht auf das Grab von ihrem Hannesle und betet dort. Du wirst dich noch wohl erinnern, sie geht ihr Lebtag schwarz gekleidet. Wie ich nun so das Dorf hinausgeh', allein und nicht einmal mein Hund mehr bei mir, da verkommt 7 mir dein' Mutter; sie hat wohl gewußt, daß ich nicht schlecht bin, wenn ich auch ein Sträfling war, und da bin ich halt zu deinem Vater in den Dienst kommen. Ich hab' nimmer mögen Schäfer sein, ich hab' wieder unter Menschen leben müssen. Wie mir's nachher gegangen ist, weißt du. Ich hab' jetzt wieder einen guten Dienst da auf dem Deurershof; aber es ist mir doch als, als müßt' ich zu meinem Bruder und wär' mein' Demuth erst die recht', wenn ich bei ihm dien'.«
    Nazi hielt inne und drückte sich mit der Hand die Augen zu; da sagte Ivo: »Du hättest eigentlich sollen in ein Kloster gehen und Mönch werden, das paßt für dich.«
    »Pfaff?« sagte Nazi mit ungewöhnlich scharfem Tone, »da ließ' ich mir lieber die Händ' abhacken; vom Frommsein leben, das ist nichts nutz. Nimm mir's nicht übel, verzeih mein einfältig Geschwätz, ich bin ein dummer Kerl; du wirst Pfarrer, und du thust recht daran, du hast ein rein Gemüth, aber komm,« sagte er dann, nach den Sternen aufschauend, »es ist schon bald elf Uhr, wir wollen schlafen.«
    Mit tief bewegter Seele schlüpfte Ivo mit Nazi in den Karren.
    »Sag mir einmal, du bist doch g'studiert,« begann Nazi, »wie kommt's, daß die Lieb' das meiste Unglück über die Menschen bringt? wär's nicht besser, sie wär' gar nicht da?«
    Ivo war verlegen, er hatte darüber noch nicht nachgedacht; mit schläfriger Stimme antwortete er indes: »Das kommt vom Sündenfall, von der Erbsünde ... ich will aber darüber nachdenken. Gute Nacht.«
    Die müde Seele und der ermattete Körper Ivo's wurden von den weichen Armen des Schlafes empfangen. Als er andern Morgens erwachte, war ihm Alles wie ein Traum, er fand den Nazi nicht mehr an seiner Seite, und als er den Kopf zum Häuschen herausstreckte, stand der Schäfer schon pfeifend bei seinen Thieren.
    Nach einem einfachen Morgenimbiß trennten sich die beiden Freunde, und noch als Ivo fort war, rief ihm Nazi abermals nach: »Wenn du einmal nach Freiburg gehst, komm zum Beßtebuur, da bin ich.« – –
    Mit Clemens verlebte Ivo fröhliche Tage, nur einmal schüttelte er den Kopf über seinen Jugendgenossen; er erzählte ihm nämlich sein Zusammentreffen mit Nazi und dessen Geschichte, da sagte Clemens: »Donner und Doria! das ist ein prächtiges Abenteuer, du bist ein Glückskind, ich beneide dich fast darum; die Geschichte von dem Knecht ist ganz schön schauerlich, nur fehlt noch ein Geist oder ein Gespenst darin.«
    Ivo verstand den Clemens nicht, er begriff es nicht, wie man die herben Schicksale des Menschen als Phantasiegebilde eines müßigen Weltgeistes betrachten könne.
     
Fußnoten
     
    1 Verkleinerungsform von »so«.
     
    2 Bei Gott.
     
    3 Hampfel – handvoll.
     
    4 Man zählt im obern Schwarzwald noch nach Groschen.
     
    5 Wüst, häßlich.
     
    6 Nume, so viel als nur, im obern Schwarzwald, gegen den Rheinabhang hin gebräuchlich.
     
    7 Begegnet.
     
     

11.
     
Das Convict.
    Allein, ohne Geleite von Familienangehörigen, zog Ivo nach seinem neuen Bestimmungsort; er war den Familienbeziehungen entwachsen, und selbständig ging er nun seinen Weg. Freundlich und hell lachte ihn die gute Stadt Tübingen an. Er träumte von den Wonnen, die sich

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