Schwarzwaelder Dorfgeschichten
kein Mensch mit ihm auskommen konnte und er Alles kurz und klein schlagen wollte, durfte Peter nur sagen: »thu's mir zulieb, Constantin, und gib Frieden,« und er war zahm und folgsam wie ein Lamm.
Ivo hatte viele Mühe, sich von Constantin loszumachen, aber es gelang ihm doch. Er war still und ernst, selbst bei den lustigsten Reden und Späßen Constantins verzog er keine Miene, und dieser ließ den »Betbruder« endlich gewähren.
Als Ivo wieder in das Kloster zurückgekehrt war, traf er seinen Freund Clemens in einer großen Umwandlung.
Clemens war als junger, lebenskecker Student in nähere Beziehung zu der Tochter seines Amtmanns gekommen, sein ganzes Wesen loderte nun in Einer Flamme für sie. Er wollte aus dem Kloster austreten und die Rechte studiren, er verhöhnte das geistliche Amt mit den bittersten Reden, er verhöhnte sich selber und sein Geschick, das ihn arm und hilflos an einen verhaßten Beruf gekettet; mit dem ganzen Ungestüm seines Geistes rüttelte er stets an den Fesseln, die ihn einzwängten. Er sah überall nichts als Sklaverei; bleichen Antlitzes und oft zähneknirschend ging er einher. Ivo bot die ganze Macht seiner Liebe auf, um seinen Freund zu retten; aber bald erkannte er, daß hier eine höhere Macht walte, und er trauerte mit seinem armen Freunde, obgleich er seinen wilden Ungestüm nicht recht fassen konnte.
Clemens saß in den Hörsälen, und während die Anderen mit eifriger Hast die flüchtigen Worte des Lehrers nachschrieben, malte er nur bisweilen den Namen Cornelie und verkritzelte ihn dann wieder zur Unkenntlichkeit.
Der Funke der Unzufriedenheit, der in Ivo geruht hatte, drohte zur Flamme zu werden, aber noch hielten ihn die festen Mauern des Gehorsams, die gewohnte Unterordnung unter das Schicksal, in stiller Gluth.
Eine Verschiedenheit im Wesen der beiden Freunde zeigte sich auch darin, daß Clemens in seinem Mißmuthe stets durch Zerstreuungen, lärmende Gesellschaften und dergleichen Selbstvergessenheit suchte, während Ivo in seinen Verstimmungen sich immer mehr in sich versenkte, gehalten und leise seinen Schmerz aufzuklären und in Selbsterkenntniß zu lösen trachtete.
Dieß gelang ihm aber nur schwer, und eine tiefe Verstimmung bedrückte seine Seele; auch er liebte das Leben weniger als sonst, es war ihm eine Bürde, er sagte oft, daß er gerne sterben oder ewig schlafen möchte.
»Das beste auf der Welt,« sagte er einmal Nachts zu seinem neben ihm liegenden Clemens, »ist doch ein Bett. Ein Vogel im Käfig, der ist übel d'ran, wenn er auch schläft, er ruht dabei doch nicht recht aus; er sitzt auf dem Stängele und muß sich noch immer mit seinen Krallen festhalten; das ist noch immer eine Thätigkeit, das ist keine vollkommene Ruhe. So auch der Mensch, wenn er sitzt, ruht nicht recht aus, er muß sich dabei noch immer halten; erst wenn man sich niederlegt, alle Glieder sich auflösen läßt und gar keine Muskel mehr anspannt, erst das ist die wahre Ruhe. Darum ist es dem Vogel im Nest und dem Menschen im Bett so wohl. Plato hat den Menschen einen federlosen Zweifüßler geheißen. Was schadet's? er steckt sich in fremde Federn. Der Nazi hat mir einmal gesagt: wenn man einen Raubvogel zahm machen will, hängt man ihn in eine Mühle, damit er nicht schlafen kann, und da wird er so geschlacht wie eine Taube; das ist gerade wie von dem Tyrannen, wo wir einmal in Ehingen gelesen haben, der seine Gefangenen alle Stund' hat wecken lassen. Wenn's ans Plagen geht, da sind die Menschen gar erfinderisch; mit dem Erfreuen sind sie nicht so bei der Hand. Das größte Wunder sind mir immer noch die Säulenheiligen, die allfort gestanden haben. Das ist die größte Selbstüberwindung. Denk nur einmal, wenn man so sein Leben lang immer dastehen müßt', daß einem die Füße ganz pelzig werden. Ahdele 2 ! ich dank' unserm Herrgott für das Bett; ein gut's Rühle geht über ein gut's Brühle, sagt man bei uns daheim.«
So philosophierte Ivo, Clemens aber gab ihm keine Antwort und seufzte nur einmal leise »Cornelie«. Ivo schlief ruhig ein.
Der Weltgeist, der Geist der Natur, wenn er allnächtlich auf die Klöster herabsah, verhüllte klagend sein Antlitz.
Clemens hielt sich gewaltsam wach, und als es elf Uhr geschlagen, schlich er leise in den Klosterhof. Es war eine linde Sommernacht, es hatte gewittert, zerrissene Wolken ließen das Licht des Vollmondes bald hell erglänzen, bald überdeckten sie es mit ihrem Schatten, Clemens kniete nieder, und die Hände ringend
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