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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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künftigen Bescheerung; sie genossen im voraus die Freude des Burschenlebens, die ihnen doch nicht vollauf werden sollte.
    So kam endlich der Herbst. Am Abend vor dem Abschiede gingen Ivo und Clemens nach der Freundschaftshecke, ein jeder brach sich einen Zweig und steckte ihn auf die Mütze, dann reichten sie sich die Hände und schwuren sich nochmals ewige Freundschaft. Ivo versprach noch, seinen Clemens während der Vacanz in Crailsheim zu besuchen.
    Das Verlassen eines Ortes, so wenig glücklich man auch in demselben gelebt hat, erregt doch stets eine Wehmuth; das Vergangene wird zu einer abgeworfenen Hülle, man kehrt nie mehr als derselbe zu ihr zurück: diese Häuser, diese Gärten und Straßen sind die Geburtsstätten eines ganzen Schicksals. Hier hatten sich die Freunde gefunden, hier hatte sich ihr Geist zu ungeahnter Höhe entfaltet, und mit tiefem Schmerze trennten sich die Freunde von dem Kloster und der Stadt. Sie gelobten, einst, in altersgrauen Tagen, wieder mit einander dahin zu wallfahrten, um die stillen Spielplätze ihrer jugendlichen Gedanken als Männer aufzusuchen.
     
10.
     
Neues Zusammentreffen.
    Nachdem Ivo nur wenige Tage zu Hause geblieben war, machte er sich auf den Weg zu seinem Freunde, dessen Wohnort am andern Ende Württembergs, nach Franken hin, lag. Als er nun zum erstenmale auf der jenseitigen Anhöhe stand, gedachte er jenes Abends vor der Primiz Gregor's, da er geglaubt hatte, hier könne man in den Himmel hineinsteigen. Jetzt wußte er, daß es keine irdische Stelle gibt, von wannen sich der Eingang in den Himmel öffnet; ja, dieser selbst stand ihm nicht mehr vor dem Auge, und er fragte nach dem Wo? Er suchte das Himmelreich auf Erden und wußte es nicht zu fassen.
    Mit stillen Betrachtungen durchwanderte er die Städte und Dörfer, mit fragendem Blicke betrachtete er das Treiben der Menschen; das Rätsel des Daseins verwirrte sich stets mehr vor seinen Augen. Der traubenreiche Herbst jubelte durch das Unterland, Lieder schallten, Pistolen knallten von den Geländen, aber Ivo fragte: sammelt ihr den Wein, der sich in Blut verwandelt?
    Es war am dritten Abend, Ivo wanderte der guten Stadt Schwäbisch Hall zu, die Sonne ging feierlich unter, es war wie an jenem Abende, da er mit Nazi im Veigelesthäle gewesen. Er stand still und gedachte mit Wehmuth des armen Freundes, den er auf immer verloren; da sah er einen Schäfer, der, mit dem Rücken gegen die Straße gewendet, auf seinen Stab gelehnt, hineinschaute in die Abendgluthen; er sang das Lied:
     
    Da droben, da droben
    An der himmlischen Thür,
    Und da steht eine arme Seele,
    Schaut traurig herfür.
     
    Ivo durchzuckte es wie eine Ahnung, er sprang schnell feldein, er wollte den Schäfer fragen, wie weit er noch nach Hall habe; da bellte der Hund, der Schäfer rief, sich umwendend: »Still, Bleß!« und mit dem Rufe: »Bist Du's?« lag Ivo seinem Nazi am Halse.
    Nun war des Fragens kein Ende. Die Nacht war hereingebrochen, und Ivo sagte:
    »Ach Gott, ich muß jetzt schon fort; ich muß sehen, daß ich eine Herberge krieg'.«
    »Warum?« erwiderte Nazi, auf die rothe Schäferhütte deutend, »gefällt dir der Gasthof zum rothen Haus nicht? Bleib du nur bei mir, ich duck' mich in ein' Eck', du sollst gut schlafen; oder ich mach' mir nichts daraus und bleib' ganz auf, heut nacht um zwei Uhr kommt ein Hauptstern.«
    Ivo willigte gern ein, mit Nazi in der Hütte zu schlafen.
    »Hast Hunger?« fragte Nazi. »Da unterm Dach ist mein Keller.« Er holte Brod und Milch herbei, machte ein kleines Feuer und wärmte für Ivo die Milch; dann hob er die hölzerne Gabel weg, auf der der Hintertheil der Hütte während des Tages aufgerichtet war, und sagte: »Sodele 1 , da kennen wir gut schlafen, das Gesicht muß gegen Sonnenaufgang liegen.«
    Wie das so oft geschieht, daß, wenn man so viel zu sagen hat, man gerade das Unbedeutendste zuerst vorbringt, so fragte auch Ivo: »Was bedeuten denn die wunderlichen Figuren von Messingnägeln auf dem Riemen da?«
    »Das sind die drei Haupthimmelszeichen, die schützen das Vieh gegen böse Geister; weiter kann ich dir nichts sagen.«
    Wieder wie in den Tagen seiner Kindheit saß Ivo neben Nazi auf dem Feldraine und verzehrte ein einfaches Mahl; aber es war Nacht, sie waren in fremder Gegend, und vieles hatten sie seitdem erlebt.
    »Was macht denn die Emmerenz?« fragte Nazi.
    »Die ist jetzt Magd bei uns.«
    »Wenn du nicht Pfarrer würdest, bigott 2 , die hättest du heirathen müssen.«
    »Das

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