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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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oft ärmlich gekleidet. Es that Ivo sehr wehe, daß die »Herren Studenten« sich ihrer Eltern schämten und ungern mit ihnen ausgingen; als ihn daher einst seine Mutter besuchte, ging er stets Hand in Hand mit ihr durch die Stadt und verließ sie den ganzen Tag nicht.
    Es war im Februar, da kam Constantin zu Ivo auf die Stube, die den altherkömmlichen Beinamen »Zion« hatte; er zog einen Strauß von gemachten Blumen mit rothen Bändern daran aus der Tasche und sagte: »Guck, das hat mir das Hannele von der Hauffei geschickt, ich bin Rekrut, ich bin dieß Jahr beim Zug und hab' mich frei gespielt; juchhe! jetzt komm' ich aus dem Kloster.«
    »Wie so?«
    »O du Böcklein weiß wie Schnee, ging einstens auf die Weide! Ich will dir sagen, wie das geht, aber auf dein Cerevis, daß du's bei dir behältst. Wenn ich freiwillig aus dem Kloster treten thät', müßt' ich den Genuß, den ich darin gehabt, 'rausbezahlen und müßt' Soldat werden; vom letztern bin ich jetzt frei, und wenn ich mach', daß sie mich aus der Wallachei da 'nausmaßregeln, nachher brauch' ich nichts zu bezahlen; dem Direktor, dem spendier' ich noch ein besonderes Trinkgeld.«
    Constantin steckte den rothbebänderten Strauß auf seine Mütze und ging damit keck über den Klosterhof; er kam den ganzen Tag nicht mehr zurück und zog mit den andern Studenten, die ebenfalls dieses Jahr im Zuge waren, Arm in Arm über den Markt, und durch die ganze Stadt sang und trank und randalierte er. Erst spät Abends kehrte er heim und wurde sogleich auf den sogenannten »Herrentritt« zum Direktor beschieden.
    Der Direktor war allein, Constantin blieb an der Thüre, sich mit beiden Händen rückwärts an derselben festhaltend; da trat der Direktor mit grimmiger Rede auf ihn zu, Constantin lachte, stolperte vorwärts und trat dem Direktor so hart auf die Füße, daß er laut aufschrie und noch härtere Reden vorbrachte; aber Constantin rückte abermals vor und machte den Herrentritt zur buchstäblichen Wahrheit. Der arme Direktor nahm den einzigen Stuhl, der im Zimmer war, und hielt ihn vor sich, aber Constantin drang stets schärfer auf ihn, jagte ihn von einer Seite zur andern und schrie wie die englischen Reiter, wenn sie ein Pferd im Kreise treiben: »Ha! hupp!« und schnalzte mit der Zunge. Endlich gelang es dem grausam Verfolgten, die Klingel zu erreichen; der Famulus kam, und Constantin wurde in das finsterste Karzer gesperrt.
    Vier Wochen lang mußte er hier seinen schnöden Muthwillen abbüßen, und als ihn Ivo einmal besuchte, gab er ihm recht, daß es sündhaft war, den Unmuth gegen das Gesetz an dem unschuldigen Vollstrecker desselben auszulassen. Ivo setzte hinzu:
    »Es ist doppelt sündlich. Die Alten sind freilich die Kerkermeister, die uns bewachen, aber sie müssen ja auch grad wie wir im Gefängniß wohnen und haben's nicht viel besser; der Schlüssel, der ihnen selber aufschließen könnt', ist gar nicht einmal hier.«
    »Ja,« lachte Constantin, »weißt, wie es als im Abzählen beim Spielen geheißen hat?
     
    Das Engelland ist zugeschlossen,
    Und der Schlüssel abgebrochen ...
     
    Da hab' ich halt eine Riegelwand eingestoßen.«
    Constantin wurde mit Schimpf aus dem Kloster entlassen.
    Als Ivo in der OsterVacanz nach Hause kam, reichte ihm Constantin seine Hand, an der drei Finger verbunden waren; er hatte sich nämlich bei einer Rauferei zwischen den Nordstettern und Baisingern, von der Schloßbauernfeindschaft her, gewaltig ausgezeichnet, wobei ihm eine Flasche aus der Hand in Splitter zerschlagen wurde. Ueherhaupt gehörte bereits der Studentle – so hieß fortan Constantin – zu den meisterlosesten 1 Burschen im Dorfe. Er hatte sich bäuerisch gekleidet und gefiel sich darin, recht toll zu sein und jedes höhere Bildungselement, das noch an ihm haftete, abzustreifen. Mit seinen beiden Kameraden, des Hansjörgs Peter und des Metzgerles Florian, dem Sohne eines verkommenen Schlächters, führte er allerlei lose Streiche aus; die drei hielten fest zusammen und ließen keinen andern in ihre Kameradschaft. Höchst eigentümlich war das Verhältniß Constantins zu Peter: liebender wacht ein Mutterauge nicht über das Wohl ihres kranken Kindes, nachgiebiger ist ein sanftes Weib nicht gegen ihren verstörten Gatten, als Constantin gegen Peter war; ja, er unterdrückte sogar die Neigung zu des Jörgs Magdalene, weil er merkte, daß Peter sich um ihre Liebe bewarb, er verhalf ihm hierzu, so viel er konnte. Wenn Constantin ganz wild war, so daß

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