Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
ihm hier aufthun sollten, obschon er wohl wußte, daß noch immer Klosterzwang, wenngleich ein etwas milderer, seiner harrte.
    Das Leben der freien Wissenschaft war nun unserm Ivo erschlossen. Er besuchte mehrere philosophische Vorlesungen außerhalb des Klosters; im tiefsten Grunde seiner Seele aber hatte Alles eine theologische oder eigentlich eine katholische Beziehung. Die schläfrigen Vorträge alter Lehrer – die dürre Begriffsformeln aufpflanzten, an denen nirgends frisches Leben grünte – waren nicht geeignet, Ivo auf die Höhe der freien Wissenschaft zu heben, von wo aus die Theologie in ihrer abgeschiedenen und begrenzten Stellung sich erweist.
    Fest schloß sich Ivo an seinen Clemens an, mit dem er nun doch eine Stunde im Freien ohne Aufsicht sich ergehen durfte. Auch andere Bekannte traf er hier; vorerst die Söhne des Oberamtmanns. Sie thaten jetzt sehr vornehm, ihr Vater war zum Regierungsrat befördert und hatte den Verdienstorden erhalten, er schrieb sich jetzt »von Rellings«; obgleich nun die Söhne dadurch noch nicht geadelt waren, hielten sie sich doch an den Adel und besonders an den anwesenden Sohn eines mediatisierten Fürsten.
    Ivo begegnete ihnen eines Tages, als sie mit ihrer vornehmen Gesellschaft ausritten, er sprang auf sie zu und reichte ihnen die Hand; sie hatten aber Peitsche und Zügel zu halten, und er erhielt nur einen Finger. Mit herablassendem Zunicken sagte der Aelteste:
    »Ah, jetzt auch hier? das ist schön,« und ihren Pferden die Sporen gebend, ritten sie davon.
    Ivo gedachte jenes Tages, da er einst stolzierend mit ihnen durch das Dorf gegangen war, er sah diese Behandlung als gerechte Strafe für seinen damaligen Hochmuth an. Die Rellingse hatten jetzt Höhere gefunden, und sie thaten in deren Begleitung ebenso herablassend gegen ihn, wie er einst in ihrem Geleite den grüßenden Bauern gedankt hatte.
    So erlebte Ivo das seltene Unglück, daß Standesunterschiede der Eltern auch in das Zwischenreich des Studentenlebens hineinragten; denn dieses ist gerade noch der einzige Punkt, auf welchem die gewöhnlichen Lebenstrennungen nicht vorhanden sind, wo die jungen Geister sich auf dem ungespaltenen Boden der Gleichheit bewegen.
    Ein anderer Bekannter, den Ivo im Kloster traf, schloß sich mit besonderer Vorliebe an ihn an; dieß war Constantin. Er wußte alle Schliche und Auswege, wie man die Stunden schwänzen und dafür im Wirthshaus sitzen, wie man sich Abends frei machen und einem flotten Burschenkommers beiwohnen konnte; er gab sich viele Mühe, den »crassen Fuchs«, seinen Landsmann Ivo, ebenfalls zu einem »forschen Studio« herzurichten. So wenig ihm dieß indes bei Ivo gelang, um so gelehriger war Clemens; sein abenteuerlicher Sinn fand in dem Studentenleben eine entsprechende Nahrung. Nachts, an zusammengeknüpften Tüchern aus dem Konvikte entfliehen, in den Kneipen singen und jubilieren, dann durch die Straßen randalieren und wieder mit doppelter Gefahr in das Kloster zurückkehren, das war eine Freude nach seinem Herzen. Die Lust des brausenden Jugendmuthes reizte Clemens fast noch mehr, als die Freude, das Gesetz verhöhnen zu können.
    Obgleich nun Ivo wiederholt seinen Clemens ermahnte, mehr an die Zukunft zu denken, ließ er sich doch selber einst dazu verleiten, in dunkler Nacht dem Klostergefängniß zu entrinnen. Sie waren nach Constantins Ausdrucke »kreuzfidel«, setzten in der Kneipe bunte Mützen auf, und Ivo war der Lustigste von allen; aber gerade diesmal wurden sie bei der Heimkehr ertappt, und Ivo mußte mehrere Tage im Karzer sein Vergehen abbüßen.
    Constantin war hocherfreut, daß sein Landsmann nun die Studentenweihe erhalten habe, er sagte oft: »Ich werde kein Pfarrer, die Scher' wird nicht geschliffen, die mir die Haare abschneidet; ich muß nur vorher 'was abwarten.« – Dann sagte er ein andermal: »Wenn ein recht Leben unter euch wär', thäten wir uns alle verbinden, daß wir samt und sonders aus dem Kloster austreten, nachher soll einmal unser Herrgott allein die Welt regieren; er soll sehen, wie er fertig wird.«
    »Was möchtest du denn werden?« fragte Ivo, dem diese gottlosen Reden das Blut in die Wangen trieben.
    »Ein Nordstetter Bauer, und weiter nichts.«
    »Aufrichtig gestanden, das möcht' ich auch, aber das ist einmal meine Bestimmung nicht.«
    »Ich will mich noch bestimmen, gib nur acht,« sagte Constantin.
    Viele Convictoren bekamen auch von ihren Eltern Besuch, es waren meist Bauern, in ihre übliche Landestracht

Weitere Kostenlose Bücher