Schwarzwaldau
eingenommen. »Sie begehrten die genaueste Erörterung,« spricht er; »ich gehorchte nur Ihren Wünschen. Gefällt es Ihnen nicht, weiter zu hören, so lassen Sie uns von dannen gehen.«
Emil's erste Aufwallung hat sich bald beschwichtiget. Langsam setzt er sich wieder zur Erde. Nach einemWeilchen murmelt er: »Ganz recht; ich wünschte die Wahrheit zu hören; nimm keine Rücksicht auf diese Störung. Ich rege mich nicht mehr.«
Und Franz begann abermals: »Liebe sie mit all' der feurigen Gluth, die mich, um Luciens Besitz erkaufen zu können, in wahnsinniges Verbrechen trieb; liebe sie mit wildem Pulsschlage eines ungebändigten Herzens, welches vier Jahre des Zwanges in scheinbarfreiwilliger Entsagung überstanden hat und nun keinen Druck mehr dulden, keine Fessel mehr achten, sich selbst nicht mehr schonen will. Erhörung will es, Erfüllung, Gegenliebe, – oder aufhören zu toben, zu leiden, zu leben.«
»Weiß Agnes davon?« fragte Emil, der den jungen Mann und dessen an Raserei streifende Verzückung halb mit Abscheu, halb mit Wohlgefallen anstaunte.
»Was sie wüßte, könnte sie nur errathen haben durch jenen Scharfsinn, der wohl auch die tugendhafteste Frau nicht im Stiche läßt, wo es darauf ankommt, Wirkungen wahrzunehmen, welche ihre Schönheit hervorbringt. Ueber meine Lippen ist keine Silbe des Geständnisses gedrungen; sogar die Augen, damit sie nicht mehr sagen sollten, als ich entdecken will, schlage ich nieder, ihr gegenüber. Was hilft es mir, daß sie ihren Gatten nicht liebt, daß sie von ihm nicht geliebt wird, – bis ich nicht weiß, ob sie groß genug denkt, feurig genug fühlt, mich anzuhören, nicht wie einen Dienstboten, sondern wie einen . . . .«
»Jungen Baron?« ergänzte Emil, nicht ohne Bitterkeit.
»Gewiß, Herr von Schwarzwaldau; den würde ich schon geltend gemacht haben, hielte mich nicht die Besorgniß zurück, eingestehen zu müssen, daß er sich im Zuchthause verlor, um als Jäger Sara wieder unter andere Menschen zu kommen. Da sitzt's! Deßhalb wollte ich gestern ein Ende machen. Ständ' es nicht so mit mir, – es gäbe vielleicht einen bessern Ausweg. Denn ganz ohne Hoffnung auf Erwiderung bin ich nicht! – bleiben Sie sitzen; ich bitte, stellen Sie Sich nicht an, als müßten Sie außer Sich gerathen! Warum sollen wir Beide noch Scenen mit einander spielen, die uns nicht aus der Seele kommen? Wer sich, wie wir, am Eingange in die lange finstre Höhle begegnete, . . . . Geben Sie Sich nicht die Mühe, zornig zu thun, über eine anmassende Aeußerung des Livreejägers, die Sie aus dem Munde des nächsten besten Grafen gleichgiltig anhören würden; sogar dann, wenn jener Graf mehr dazu berechtiget wäre, als ich es vielleicht bin. Denn Sie machen Sich nichts daraus, ob eine Gattin, welche Ihnen fernsteht, einen Andern liebt! Nur möglichen Skandal fürchten Sie! Den haben Sie von mir nicht zu besorgen. Um Ihnen und ihr dergleichen zu ersparen, wollt' ich gestern das Feld räumen. Ich war der fortdauernden Verstellung satt und müde. Heute kommt es mir vor, als würd' ich das Leben wieder tragen können, seitdem ich wenigstens gegen einen Menschen nicht mehr zu heucheln brauche; und daß dieser Eine mein Herr, daß er der Gemal Derjenigen ist, die ich vergöttere, wirkt zu meiner Beruhigung mit. Versuchen Sie, auf gleiche Art Ihren Busen zu erleichtern. Auch Sie werden die Wohlthat empfinden, die volles Vertrauen gewährt; gestehen Sie mir, wodurch Sie zum Selbstmorde getrieben wurden! Es giebt kein besseres Mittel wider mögliche Rückfälle, als fortdauernde Nähe eines vollkommen Eingeweih'ten. Machen Sie mich dazu, – wenn ich Ihnen nicht zu schlecht bin, und wenn Sie das Mißtrauen besiegen können, als trachtete ich nach Ihren Geheimnissen, um Vortheil daraus für meine Leidenschaft zu ziehen.«
»Daß Du mir nicht zu schlecht bist, Franz, Deiner abhängigen, dienenden Stellung wegen, dafür sollte Dir mein bisheriges Betragen gegen all' meine Untergebenen, gegen Dich insbesondere, schon Bürge sein. Ich habe Dich doch wohl mehr wie einen jüngeren Freund, als wie einen Livreejäger behandelt. Wähnst Du aber, Deine Bekenntnisse hätten Dich in meiner Ansicht verschlechtert, so bist Du zweifach im Irrthum. Was ist gut? was ist böse? Was sind wir Alle, jeder in seiner Art? Einem Menschen von Deiner Schulbildung darf ich des Dichters ernstes Wort citiren: ›Sehe Jeder wo er bleibe, und wer steht, daß er nicht falle!‹ Ich habe nie daran gezweifelt,
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