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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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seitdem ich denkend beobachten und beobachtend denken lernte; ja der gestrige Abend hat mich auf's Neue in dieser Ueberzeugung befestiget, und Deine Geständnisse haben ebenfalls dazu beigetragen: unsere geistigen Anlagen und Fähigkeiten, unsere sogenannten edlen und schlechten Triebe, unsere göttlichen Eigenschaften, unsere thierischen Leidenschaften, unser ganzes Seelenleben . . . . . . Alles ist ein Erzeugniß körperlich-individueller Organisation. Von dem Bau des Erdenleibes, von der Mischung unserer Säfte geht Alles aus. Wer dieß läugnen wollte, wäre ein Blinder, oder ein Thor. Wer dagegen läugnen will, daß wir mit einer freien Willenskraft begabt sind, Jene aus leiblicher Mischung hervorgehenden Naturtriebe zu regeln, zu veredeln, zu beherrschen, ist ein Vieh, oder ein Verbrecher an Gott. Darüber sind wir einig. Nur über Eines bleib' ich im Dunkeln: in welchem Verhältnisse dieser angepriesene, geistig freie Wille zu eben jener leiblichen Mischung steht, deren Regungen er überwachen und bewältigen soll? Ob er nicht gleichfalls aus ihr entspringt und der größere oder mindere Grad seiner Kraft von ihr abhängig wird? Darüber scheinen Philosophen, Aerzte wenig; Theologen und Juristen nichts zu wissen, nichts wissen zu wollen und legen deßhalb Letztere in der Praxis an die verschiedensten Naturen einen und denselben Maaßstab, wobei sie, wie mir scheint, im Namen der Religion und des Gesetzes oft sehr ungerecht verfahren. Ich erkenne mich selbst genug, um in solche Härte gegen meinen Mitmenschen nimmer zu verfallen. Gegen Dich gewiß am Wenigsten. Deßhalb magst Du Dir die Frage und mir die Antwort ersparen, ob Du mir ›zu schlecht‹ seist? Auch Mißtrauen setz' ich nicht in Dich. Wenigstens in so fern nicht, als ich befürchtete, Du strebest mich auszuhorchen, damit Du dann auf freche Weise bei Agnesen geltend machtest, was Du mir über sie und mich abgelockt? Das besorg' ich nicht. Aber es giebt Dinge, die man nur dem innigsten Freunde, und auch diesem nur mit heiliger Scheu enthüllen könnte. Mich zu schonen kommt mir nicht in den Sinn. Dir einzugestehen, daß ich mir viele, viele Vorwürfe nicht erlassen darf, wird mir nicht schwer fallen. Ueber Agnes laß' uns für jetzt schweigen. Welchen Antheil sie und ihr Wesen haben an meinem gestrigen Anfalle sündlicher Verzweiflung, – oder vielmehr an den ersten Keimen, aus denen er sich giftigem Unkraut ähnlich entfaltete, – das geziemt mir nicht auszusprechen. Am Wenigsten vor Dir, den ich wahrlich nicht gering schätze, den ich lieb gewinnen möchte, dem ich doch aber erst heute näher trat, – und der mir in's Angesicht zu sagen wagte, daß er meine Gemalin liebt! Ich liebe sie nicht , behauptest Du? Und dieser Dein Glaube gab Dir den Muth zu reden, – einen Muth, der unter andern Umständen ruchlose Frechheit heißen dürfte. Ich nenne es nicht so. Ich erkenne die Eigenthümlichkeit unserer Lage an; ich ehre Deine Ehrlichkeit; ich fühle mich nicht abgestoßen von Dir; im Gegentheil, mir ist zu Sinne, als könnten wir Freunde werden. Werden – sag' ich. Und wenn wir diesen einsamen Platz auch anders verlassen, als wir ihn betraten, so gehen wir doch heute noch wie zwei Menschen davon, die sich nur näher rückten, um sich erst näher kennen zu lernen. Eine Gewißheit nimm heute schon mit Dir: wenn ich meine Frau nicht liebe, wie Du die Liebe verstehst, so ist sie mir gleichwohl über Alles werth und theuer; ist und bleibt sie der Gegenstand meiner unbedingten Verehrung; die sanfte, verständige, wohlwollende, nachsichtige Genossin meiner trüben Existenz; die großmüthige Dulderin und Erdulderin meiner wandelbaren Launen, meiner oft unerträglichen Verstimmungen: bleibt mir eine geliebte, angebetete Freundin. Wer sie kränkt, beleidiget, verletzt, der stirbt von meiner Hand, oder ich von der seinigen! Mag sein, daß ich sie nicht liebe! Ich thue mehr: ich erkenne sie; ich lasse ihr Gerechtigkeit widerfahren, – und mir auch! – Jetzt komme, Franz. Vor den Leuten wollen wir wieder Herr und Diener sein. Was wir uns werden können unter uns, mag die Zeit lehren.«
    Indem Emil so sprach, reichte er dem Jäger die Hand. Dieser, der den Aeußerungen über Agnes mit feuchten Augen gelauscht hatte, zog die Hand an seine Lippen.
    »Wie geschieht Dir?« fragte Emil.
    »Ich hab' Ihnen Unrecht gethan; großes Unrecht. Habe Sie verkannt; Ihre Gesinnungen grundfalsch beurtheilt. Und deßhalb hab' ich mich und meine Gefühle vor Ihnen

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