Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
Vom Netzwerk:
ohne ihn durch wildes Gebrüll aufzuschrecken. Daß nur auf der Guitare begleitet werde und kein Orchester zu befürchten stehe, machte ihn vollends nachgiebig. Wir erlegten unsere sechszehn Groschen für zwei Billets an der Casse und traten ein. An leeren Stühlen fehlte es nicht. Meines Vaters erste Sorge war, sich eines bequemen Eckplatzes zu versichern. Mich drückte eine andere. Ich war gespannt auf den Beginn, um zu erfahren, welcher von den Beiden das Geld einnehmenden und die Eintrittskarten ausgebenden Musensöhnen der Sänger sei? Denn die brüderlich mit einander Reisenden, wofern sie anders Brüder in Apollo waren, sahen sich durchaus nicht ähnlich: der Eine hatte, was mir gefällt, – was mir schon gefiel, da wir noch wie eine Heerde Lämmer durch den großen Garten getrieben wurden; der Andere war durchaus uninteressant für mich. Bei meiner Vorliebe für Liedergesang mußte ich natürlich wünschen, daß der zierliche, schwarzlockige, dunkelblauaugige Billets-Ausgeber die musikalische Partie des Abends verwalten möge; nicht der lang aufgeschossene, glatthaarige, grau-blaublickende Geldeinnehmer. Mein Wunsch ging in Erfüllung. Der fade Jüngling redete uns in Versen, der pikante Schwarzkopf sang uns in Liedern an. Und in was für Liedern! Und mit welcher Stimme! Dir, freilich, ist schwer deutlich zu machen, wie bald und wie tief er sich mir in's Herz gesungen!? Du achtest nicht auf die Gewalt der Stimmen, Agnes?«–
    »Doch! Ein reiner, starker Sopran kann auch mich entzücken. Allenfalls ein sonorer Baß. Den Tenor lieb' ich nicht. Je mehr man um mich her sie bewunderte, desto unmännlicher klangen mir die Stimmen berühmter Tenoristen; ich möchte sagen: eines Mannes unwürdig. Und ich setze voraus, Dein Schwarzkopf sei ein recht weichlicher Tenor gewesen? Ich sehe ihn ordentlich, mit seiner Guitare am rothseidenen Bande, und billige, daß Papa Reichenborn sanft entschlief, während seine Tochter . . . .«
    »Mit dem Sänger coquettirte? Ich will nur für Dich den Satz vollenden, Agnes; denn er ist richtig; so unumstößlich wie nur irgend ein mathematischer sein kann. Ja, ich coquettirte mit ihm und er sparte das Feuer seiner Augen eben auch nicht. Dir Agnes erscheint das unerklärlich und Du klagst mich deßhalb nachträglich an; ich fühl' es aus Deinem Schweigen. Gleichwohl gehört auch diese kleine Sünde auf mein Register, soll es vollständig sein; und sie mag zugleich beitragen, mich von einer neueren, die Du mir Schuld giebst, zu reinigen; denn daß ich nur gestehe: mein Sänger schmachtender Lieder, und mein Schläfer an eurer Waldgrenze – sie scheinen mir ein und derselbe Mensch gewesen zu sein. Ja, sieh' da, nun beleben sich Deine Züge und der geschlossene Mund verzieht sich wider seinen Willen zum Lächeln . . .«
    »Weil ich Deine Combination kindisch finde, Caroline. Verzeih' mir, daß ich es offen sage: sie schmeckt gewaltig nach unserm Erziehungsinstitute und es fehlte weiter nichts, als daß der Troubadour jetzt Räuberhauptmann, oder wenigstens jener Pferdedieb wäre, der vor etlichen Monaten unseren Bauern drei Füllen von der Waide stahl! Wohin verirrt sich Deine Sehnsucht!? Und wie sollte der fahrende Concertgeber in unsere Nadelhölzer gelangen, sich hier eine Schlafstelle zu suchen? Und warum hältst Du, nachdem Du auch an ihm eine sprechende Aehnlichkeit entdecktest, nicht gleich lieber meines Mannes Jäger für den damaligen Sänger? Konnt' er sich, da er Abendunterhaltungen gab, die Haare nicht schwarz gefärbt haben? Geh' und mache Dir nichts weiß. Im Capitel der Aehnlichkeiten bin ich eine Ungläubige. Sie werden meist durch Denjenigen geschaffen, der irgend einen Grund hat, sie entdecken zu wollen.«
    »Spotte nur; es ist doch, wie ich sagte. Zwei Eigenschaften sind es, welche durch ihr Zusammentreffen dafür sprechen: des jungen Mannes Schönheit – und seine Verschlafenheit. Denn mag es noch so verletzend für Deine Freundin klingen: sie lag, als ihr Vater zu Bette gegangen, vergeblich eine halbe Mondnacht hindurch in ihrem Fenster, fest überzeugt, der Sänger werde unter diesem Fenster eins der Lieder wiederholen, die sich in ihre Seele gewühlt, gleich einer Biene in einem Blumenkelch? – er schlief wie ein Mehlsack und kam nicht, und sang nicht, und reisete am andern Morgen sammt seinem Klimperkasten und seinem declamatorischen Begleiter auf und davon, um in irgend einer andern Stadt wieder Billets zu verkaufen, wieder Empfindungen wach zu singen,

Weitere Kostenlose Bücher