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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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aber am Leben müßte man bleiben, sonst hilft die Erfüllung nichts mehr! – sähe gewiß Alles wahr werden, was er einst geträumt; sei es zum Glücke, sei es zum Verderben. Jedweder innige Wunsch ist schon an und für sich prophetisches Vorgefühl und unmöglich ist gar nichts, als was den Urgesetzen der Schöpfung widerspricht. Einzig und allein der Tod schneidet die Möglichkeit der Erfüllung ab. Oder auch der Vorbote des Todes: das langsame Absterben bei lebendigem Leibe; was wir Alter nennen, welchem verspätete Erfüllung keine mehr ist. Daher der furchtbare Göthe'sche Ausspruch: ›was man in der Jugend begehrt, hat man im Alter die Fülle.‹
    Häufig auch geschieht, was wir so eifrig begehrten, erst dann wenn wir, durch vergebliches Trachten längst abgemattet, schon aufgehört hatten zu wünschen. Es steht dann so plötzlich vor uns, daß es mehr Schrecken bringt, als Freude gewährt, und wir müssen uns erst wieder in die fast verschmachteten Wünsche hineinleben. – Der Herbst begann. Die Jagd stand offen. Am Tage Aegidius war Emil auf Feldhühner ausgegangen und seit geraumer Zeit zum Erstenmale wieder hatte er seinem Leibjäger befohlen, ihn zu begleiten. Franz hatte sich diesem Befehle willig gezeigt, mit jener stummen, kalten Gleichgiltigkeit, die seit der letzten Besprechung zwischen ihnen waltete; die bei ihm höhnischen Trotz verbarg; die bei Emil unbegreiflich bliebe, wüßten wir nicht schon einigermaßen von dessen wunderlichem Dualismus, wo mit lebenverbitternder, scrupulöser Gewissenhaftigkeit blinder Leichtsinn gewissenlos Hand in Hand, ja zu Zeiten mit ersterer auf und davon geht. Emil war blind für Franzens schweigsamen, scheinbar demüthigen Groll; war blind für sein eigenes Unrecht gegen den Diener; vermied sich in's Gedächtniß zurückzurufen, wie weit er in übereilter Vertraulichkeit schon gegangen und wie unklug es sei, davon keine Kenntniß mehr zu nehmen. Nur Carolinens Gegenwart, durch welche Agnes vor bedenklicher Nähe des Anbeters in Livree gleichsam geschützt blieb, während Emil durch dieselbe noch mehr als gewöhnlich aus dem Verkehr mit seiner Gattin vertrieben wurde, erklärt – wenigstens theilweise – eine Verblendung, die bei einiger Aufmerksamkeit auf Franzens Stimmung unmöglich gewesen wäre. Genug, sie war vorhanden, diese Verblendung, und ohne zu ahnen, daß es ein Feind sei, der neben ihm herziehe; ein Feind, den er sich durch eigenes Verschulden gemacht, bejagte Herr von Schwarzwaldau die Ackerbeete und Rübenfelder, nach spärlich-vorhandenen Hühnern schießend, die aus versprengten Ketten sich in diesen Winkel geflüchtet. Hasen und Hühner machten schon damals nicht die Stärke des Wildstandes auf Schwarzwaldauischen Revieren, wie nirgend wo mittelmäßiger, oder gar magerer Boden nur dürftige Ernten darbietet. Desto reichere Fülle an höherem Wild boten die großen Forste, in denen es namentlich von Rehen wimmelte. Unglücklicher Weise besaßen einige Dorfbewohner schmale Zipfel sandigen Neulandes, worauf sie, nachdem der kümmerliche Holzbestand niedergeschlagen und verkauft war, Haidekorn zu bauen versuchten, an welchem die ungebetenen Gäste häufig naschten. Daraus waren schon mehrfache Händel entstanden. Die Besitzer hatten auf ›Wildschaden‹ Anspruch gemacht; der Gutsherr hatte ihnen entgegengestellt, daß er dazu nicht verpflichtet sei; denn wer heiße sie mitten im tiefsten Forste Ackerbau zu treiben, wo seit Menschengedenken Bäume gestanden? und warum sie nicht abermals Waldung angelegt, damit ihre Nachkommen fänden, was sie von ihren Vorfahren ererbt? Darauf hatten die Leute geantwortet, das ginge ihn nichts an, und wenn er sie nicht entschädigte, würden sie sich selbst helfen. Und das Ende vom Liede waren ein paar halb-erschossene, halb-erschlagene Rehe gewesen, die einen langwierigen, langweiligen Wilddiebs-Proceß veranlaßt. Seit jener Zeit hatte in Emil's Herzen eine gewisse Erbitterung Wurzel geschlagen, die jedesmal sich regte, sobald das Wort ›Wildschütz‹ ausgesprochen wurde. Wie denn überhaupt nach unserem Dafürhalten alle Hirsche, Schweine und Rehe auf Erden nicht den zehnten Theil des Aergers und feindseligen Grimmes werth sind, den sie schon erregten; mannichfacher Härten und Grausamkeiten von der einen, blutiger Gewaltthaten von der anderen Seite gar nicht zu gedenken, wo ›Gesetz Unsinn und Wohlthat Plage wird.‹
    Bis in einen dieser letzten Ackerstreifen verlief sich heute ein geflügeltes Feldhuhn,

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