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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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    »Wozu die Verstellung? Er wird mir gefährlich und das entgeht ihm nicht. Ja, ich liebe ihn!«
    » Du liebst? – Agnes, Du kannst lieben?«
    »Noch bin ich Herrin meiner selbst. Noch überseh' ich die Gefahren, die mir drohen. Doch ich sehe sie; ich will sie sehen; will sie nicht leichtsinnig wegleugnen; will mich nicht belügen, Dich nicht. Wir haben uns Wahrheit versprochen und mein Versprechen werd' ich halten. Deßhalb erfahre jetzt, daß Dein Freund heute Abend bei der Heimkehr nicht mehr derselbe blieb, den Du, als er matt und leidend zur Mittagstafel kam, den Schmachtenden zu nennen beliebtest. Gustav gehört zu den jungen Männern nicht, die schmachtend sich sehnen und sich mit Idealen begnügen, sobald die Wirklichkeit warm und lebendig neben ihnen weilt. Ich habe bisher an Deiner Seite mich selbst nicht erkannt; wußte nicht, wer ich bin? wußte nicht, was ich wollte? Dich klag' ich nicht an; that es nie. Du mußt sein, wie Du bist. Aber Du hast mich eben darum auch nicht belehren können über mein angebornes Bedürfniß. Gustav vermag dieß. Wie tief er unter Dir steht in allen Beziehungen zur Welt, zur Bildung, zur Wissenschaft, zur Geselligkeit, – das verkenne ich nicht, darüber täusch' ich mich nicht, – dennoch empfind' ich, daß ich sein werden muß , wenn er bleibt. Deßhalb trenne Dich von ihm und ihn von mir, weil es noch Zeit ist; zerreiße die Blumenketten, womit seine Tugend, seine Schönheit, seine naive Unwissenheit, seine rohe Anmuth – lache nicht über diesen Ausdruck, er ist absichtlich gewählt, – uns umwanden, schicke ihn fort, und uns laß' wieder uns're alten Fesseln schleppen durch's liebe, alltägliche Leben, – mit äußerem Anstand wie bisher; wenn auch ohne Blumen!«
    »Trennen! Mich von ihm trennen! Ja, Du hast Recht. Was ist er mir denn? Was er mir vielleicht werden konnte, wenn unsere Zusammenkünfte im stillen Walde der Winter nicht unterbrach; wenn im eisigen Frost die Blümchen nicht erstarrt wären, mit denen meine kindische Phantasie ihn schmückte: der Freund , den ich suche, von dem ich träume seit meiner Knabenzeit . . . er wurd' es nicht! Er hält nur noch an mir, um Deinetwillen. Ich weiß es. Jede Regung des Wohlwollens, der Anhänglichkeit mir gegönnt, verirrte sich nur zu mir, weil er an Dich sie zu richten noch nicht wagte. Er wird dankbar, herzlich, freundlich gegen mich sein, so lange er in mir den duldsamen Beschützer Eurer Neigung sieht und braucht. – Dann wird er mich verachten, oder hassen; je nachdem ich meine Schmach stillschweigend zu tragen, oder zornig abzuschütteln versuche! So wird es kommen. O Du hast Recht: wir müßten uns trennen! Ein Riß, ein heftiger Riß in's Leben . . . eine frische Wunde . . . . ein Bißchen Blut . . . das ist Alles. Damit wär' es abgethan! Und dann – kein Kampf mehr zwischen Ehrgefühl und Schwäche; keine Besorgniß, wie diese unsinnige, unglaubliche Verwirrung der Gefühle, der widerstrebendsten Ab- und Zuneigungen sich endlich lösen soll? Keine Eifersucht mehr, die nicht weiß, ob sie fürchtet, oder wünscht? Die nicht weiß, ob sie haßt, oder liebt? Kein Zwiespalt zwischen Freundschaft, Verrath, Ehrfurcht, Argwohn, brüderlicher Liebe und Geringschätzung! . . . Nichts mehr von alle Dem! Aber auch er nicht mehr in unserer Nähe! Der einzige Mensch, den wir Freund – nennen! Der oft erheiternde Gesell unserer langen Abende! Sein sprechendes Auge nicht mehr an unsern Augen, an unserer Lippen Bewegung hangend! Seines Liedes Klang nicht mehr durch traute Dämmerstunde tönend! Seine kindischen Scherze nicht mehr an unser Ohr schlagend! Seine treuherzigen Albernheiten Dein Lächeln nicht mehr hervorrufend! Und dieses Zimmer, wenn ich mich vor der Leere einer schlaflosen Nacht fürchte, nicht mehr belebt durch seine Gegenwart, die das einzige Leben in unser lebloses Dasein brachte; – wenn wir Carolinen nicht rechnen wollen, die Du doch, offen gesagt, nur ihm , nur Deiner werdenden Vorliebe für ihn aufopfertest; von der Du Dich los machtest, nachdem Du ihn von ihr los gemacht. Gesteh' es ein, arme Agnes, auch Dir wird er fehlen, mehr wie mir. Und wenn ich auch nicht glaube, was Du in übertriebener Besorgniß aussprichst, daß Du befürchten mußt in Liebe für ihn aufzugehen; wenn ich auch niemals diese Deine Befürchtung theilen kann; daß er Dir theuer ist, daß er auch zu Deiner Existenz schon mit gehört, davon bin ich durchdrungen; das hast Du durch die That bewiesen.

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