Schwarzwaldau
sprechen, bevor mein Gemal mit ihnen sprach. Sehen wir uns wieder, dann haben Sie nähere Rechte an mich. Sehen wir uns jetzt zum Letztenmale, dann vergessen Sie Gestern, wie Heute, und die Zukunft bringe Ihnen Glück!«
Die Thür fiel in's Schloß. Gustav wendete sich zu Emil: »Was soll das heißen, zum Letztenmale? Sprich, weiset sie mich von sich? Jagt sie mich aus dem Hause?«
»Sie nicht! Ich soll es thun.«
»Du? mich? Du, der mich in die Gefahr lockte? Der Schuld ist, daß ich erleide, was bisher, wenn ich Andere es erleiden sah, Gegenstand meines höhnischen Zweifels, meines ungläubigen Spottes gewesen? Du, mich verstoßen, dem Du unzähligemale zugeschworen, ohne ›ihn‹ nicht mehr leben zu können? Den Du die neu aufblühende Jugend Deines vor der Zeit alternden Daseins nanntest? Dem Du unverbrüchlich treue Freundschaft gelobtest, . . . und die Wipfel der Bäume Deines Waldes rauschten über uns? Du, der Freundschaft treulos, weil Du ihr nicht gönnen magst, sich im reinen Strahle weiblicher Tugend zu veredeln? Den Freund vertreiben, – aus Neid, ich kann's nicht anders benennen; aus Hochmuth, aus Eigensinn. – Denn Eifersucht quält Dich nicht. Dazu müßtest Du Deine Frau lieben. Aber Du verehrst, Du achtest sie nur! Nein, Du liebst sie nicht. Ich liebe sie!«
»Und wenn ich nun eben deßhalb eifersüchtig wäre? Wenn ich es nicht Deinetwegen auf sie, wenn ich es Ihretwegen auf Dich bin? Wenn ich ihr nicht gönne, daß Du sie höher stellst als mich? Wenn die Eifersucht, die mich martert, fürchterlicher quält, als jene, von der Du meinst, daß ich sie nicht kenne?«
»Dann leihe mir eine Pistole, Freund Emil. Ich werde in den Wald gehen, mir eine Kugel durch den Kopf zu schießen, und es ist uns Allen geholfen.«
Er sagte dieß so ruhig, daß Emil die Kälte des Todes über den Nacken schleichen fühlte.
»Man bringt sich nicht so leicht um, glaube mir; es gehört viel dazu.«
»Bei Dir vielleicht. Bei mir nichts als eine Silbe. Sprich zu mir: geh'! Und es ist gethan. Ich lebe nicht mehr ohne ihren Anblick. Ich kann's nicht; ich will's nicht!«
»Wenn ich nun spräche: geh! Und wenn Du gingest aus meinem Hause, von dieser Erde . . . hieße das nicht Dein Angedenken mit dem Kranze des Märtyrers schmücken? Dich in ihrem Herzen zum Heiligen machen? Und in dem meinigen nicht minder? O, ich glaube, es ist Dir Ernst damit! Es ist nicht eine leere Drohung, ausgestoßen, mich zur Nachgiebigkeit zu zwingen; Dich erfüllt die Ueberzeugung, durch diesen Tod den herrlichsten Triumph zu feiern, Dich zugleich zwiefach an mir zu rächen. Aber weder diese Rache soll Dir zu Theil werden, noch dieser Triumph. Den Triumph nehme ich für mich in Anspruch; die Rache soll in Segen umgewandelt sein. Bleibe Du – und ich will gehen. Ich will Euch Platz machen, will Agnes von mir befreien. Wollt' ich es doch wenige Stunden, bevor ich Dich kennen lernte! Senkte ich doch schon die Spitze meines Dolches auf diese Brust, – nur daß es der Feigheit willkommen schien, bei der That überfallen, daran verhindert zu werden; daß ich mir dann einredete, Agnes, ohne mich, stehe ganz einsam und vielleicht noch unglücklicher als durch mich? Das ist jetzt anders. Jetzt räum' ich mit mir das Hinderniß ihres Glückes hinweg und des Deinigen . Dieser Gedanke wird mir Muth geben; ich werde nicht mehr feig sein. Ich werde zu sterben wissen; – Ihr werdet leben – und Du wirst Den lieben, der für Dich starb. Da sieh'!« – (er brachte den Dolch aus dem Schranke hervor) – »Dießmal werd' ich nicht zaudern; was ich für mich auszuführen nicht gewagt, für Euch, für Dich wird mir's gelingen. Ja, Gustav, Du bleibst im Hause,– aber ich gehe!«
Gustav kannte den Freund als Schönredner, hatte ihn oft bewundert, noch öfter langweilig gefunden, besonders wenn sein Redefluß sich über Dinge verbreitete, die dem Sohne hausbackener Weltanschauung fern lagen. Aber davon, daß überhaupt ein Mensch, – geschweige gar Herr von Schwarzwaldau! – sich in Paroxismen der Begeisterung hineinreden könne, die nach einer Viertelstunde glühender Hitze schon wieder in lauwarmes, schleichendes Frösteln zu verlaufen geeignet wären, – davon hatte der derbe Bursch keinen Begriff. Deßhalb nahm er Emil's großmüthige Erklärung für vollen, schweren Ernst, für gediegenen Entschluß und wurde durch diesen Beweis zärtlichster, uneigennützigster Freundschaft so tief ergriffen, daß er unter dem Gewichte reuiger Beschämung
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