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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Vielleicht dürfen wir künftig sagen: es war so? Vielleicht können wir durch innige, unbegrenzte Freundschaft für einander die Zufriedenheit erreichen, welche die Liebe uns leider nicht gewährte. Vielleicht zählen wir von diesem Abende eine neue Periode unseres Daseins? Halte von mir, was Du magst, – nur mißtraue mir nicht; nur wirf nie den Verdacht auf mich, in meiner Seele könne Spott und Hohn Raum finden für diejenigen, die ich achte, ehre, – ja, die ich liebe , – wenn auch nicht im gewöhnlichen Sinne, doch gewiß mit jener Liebe, die man dem Edelsten und Besten auf Erden zuwendet. Schlafe wohl!«
    Er drückte einen Kuß auf ihre Stirn und entfernte sich.
    »Ach,« sagte Agnes, »warum sind diese Worte eben nur Worte, wie Alles, was er spricht! Warum ist dieser ganze Mensch, sammt seinen unverkennbaren Vorzügen und schönen Eigenschaften, doch eben nur das Einzige nicht, was er sein müßte, um ein ganzer tüchtiger Mann zu sein! Ich weiß nicht, was ihm fehlt? Weiß nicht, woran es liegt, daß jeder Tugend, die er übt, daß jedem Fehler sogar, den er begeht, der Kern mangelt, der innere, feste Haltpunct, der uns, wenn wir ihn im Busen des Mannes ahnend fühlen, sogar mit Lastern und Verbrechen versöhnen kann; der das Weib zur freiwilligen Sclavin ihres Herrn macht; der sie Ketten nicht fühlen, Schmerzen nicht achten, Leiden vergessen, Tyrannei ertragen und sie im Elend lächeln lehrt!? Weiß nicht, was ihm dazu fehlt, – darf mir aber nicht verhehlen, daß dieser Gustav es besitzt; dieser unwissende, mit Emil verglichen gemeine Bursche! – – Und was wird aus mir werden.? Sein Kuß brennt noch auf meinen Lippen – – –«
    Sie entkleidete sich, ohne ihr Kammermädchen zu wecken; sie legte sich zu Bett und faltete wohl die Hände. Aber beten konnte sie nicht, – und schlafen noch weniger.
    Ob Gustav schlief? – Emil gewiß.

Sechszehntes Capitel.
    Die ersten Tage des März brachten gegen Erwarten und Vermuthen heftigen Schneefall. Dabei war das Wetter, als erst Wald und Erde sich in weiße Flocken verhüllt und der Himmel sich wolkenlos zeigte, so mild, die Luft so frühlingslau, daß Emil Agnesen den Vorschlag that, sie möchte versuchen, was sie im Winter aus Abneigung gegen die Kälte gern vermied: eine Schlittenfahrt mitzumachen. Anfänglich weigerte sie sich auch dießmal. Da stellte sich Gustav ein, dem die Kämpfe der vergangenen Nacht wohl noch in dunklen Ringen um die matten Augen lagen, der aber doch von einem rosigen Schimmer übergossen schien, indem er Agnesen begrüßte.
    »Wie wär' es,« fragte Emil; »wir essen rasch, eine halbe Stunde früher, eine halbe Stunde kürzer als sonst; um vier Uhr klingeln wir durch den Wald und athmen Vorgefühl des Frühlings? Es wird ihm gut thun!« – Dabei legte er die Hand auf Gustav's Locken, zog dessen Kopf an den seinigen, und wiederholte: »Wollen wir Schlitten fahren?«
    Gustav ließ mit sich geschehen, gleich einem geduldigen Kinde. »Sehr gern fahr' ich mit,« erwiderte er; »nur daß ich heute nicht die Zügel halten könnte; ich bin wie zerschlagen; ich habe die ganze Nacht keinen Schlaf gehabt.«
    »Wer verlangt das von Dir? Kutschiren werd' ich ; Du sollst bei Agnes im Schlitten sitzen, eine ganze Menagerie von Bären- und Wolfspelzen steht zu Diensten. Ihr dürft' Euch einpacken, als wär's im Januar und braucht bloß vor der Stirn ein Fensterchen offen lassen, damit ihr die weißbestreuten Tannen und ihr dunkles Grün bewundern könnt. Wir fahren nur zu Dreien, nehmen niemand mit, keinen Kutscher, keinen Reitknecht, keinen Peitschenknaller, keinen Schlittenhalter – und werf' ich Euch um, so schadet's nicht; in Pelze gehüllt und im weichen Schnee liegt man weich.«
    Agnes fand abermals für passend, sich zu weigern; und noch bestimmter wie vorhin.
    Da sagte Emil zu Gustav: »So versuche Du Dein Heil und bitte sie, uns zu begleiten. Dir wird sie's nicht versagen; mit mir mault sie noch von gestern Abend her, – und wahrlich ohne Ursache. Aber das ist desto schlimmer. Denn sobald wir uns eingestehen müssen, daß wir ungerecht sind, lassen wir's gern denselben entgelten, gegen Den wir es sind. Das gehört mit zu den Vollkommenheiten der lieben Menschennatur.«
    »Was hast Du denn verbrochen?« fragte Gustav mit so verschämter Sanftmuth und in einer so kindlichen, von seiner gewöhnlichen Ausdrucksweise so ganz verschiedenen Betonung, daß Agnes erstaunt nach ihm aufsah und daß Emil sich nicht entbrechen konnte zu

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