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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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förmlich zusammenbrach. Emil erschien ihm auf einmal so groß, so hoch, so erhaben, wie er sich selbst klein, kleinlich, erniedrigt vorkam. Der wilde Taumel aufgeregter Sinne, in dessen Strudel jede reinere, edlere Empfindung für Agnes, – (denn daran fehlte es nie in Gustav's Herzen!) – unterdrückt, wenn auch nicht verzehrt worden war, stand plötzlich still, sein tobendes Brausen legte sich, die trüben Wogen sanken und aus dem Grunde stieg reineres Wollen empor, wie eine weiße Lilie aus dem Schlamme.
    »Verflucht will ich sein,« rief er aus, »duld' ich dieses Ende! Du sprichst wahr, es ist eine Gemeinheit von mir gewesen, Dir zu drohen, wie ich es that; Dir davon zu reden, daß ich mir eine Kugel vor den Kopf schießen wollte, wenn Du mich fortschickst. Pfui, wie konnt' ich so erbärmlich sein? Fürchte nichts. Ich nehme jenes schändliche Wort zurück; ich tausche es aus gegen ein besseres und dieses will ich halten: Du gebietest – und ich gehe, scheide, um Euch niemals wieder zu sehen, um zu leben ohne Euren Anblick, und dennoch Euch anzugehören, auch in der Ferne, – Agnesen – und Dir! Ja, schicke mich fort! Ich gehorche; ich unterwerfe mich. Willst Du aber mich dulden; willst Du mir das unverdiente Glück gönnen, zu bleiben, so sollst Du es nie bereuen. Ich bin Dein, gehöre Dir, dessen ganzen Edelmuth, dessen unendliche Huld ich jetzt erst ermessen und schätzen lernte; bin Dein Schüler, Dein Sohn, Dein Bruder, Dein Knecht, – was Du willst. Bin Dein und Agnesens Leibeigner; Euer Sclave. Was hat ein Sclave für Rechte? Welche Ansprüche darf er geltend machen? Darf er fordern, begehren, trotzen, zürnen? Er gehorcht und nimmt demüthig-dankbar hin, was mitleidige Gnade ihm spendet. Magst Du's mit mir versuchen, so laß' mich bleiben. Soll ich scheiden, so werd' ich morgen vor der Sonne aufbrechen und gehend und entsagend Deine Hand küssen.«
    Emil antwortete durch eine stumme Umarmung. Der Dolch wurde wieder eingeschlossen.
    Als nun am andern Tage Agnes die Ergebnisse vergangener Nacht, so wie theilweise den Inhalt des Gespräches durch ihren Gatten vernahm, erwiderte sie nur: »Du hast's gewollt!«

Siebzehntes Capitel.
    Mehr als zwei Monate sind vergangen. Gustav scheint gehalten zu haben, was er gelobte. Kein Zwist, keine Verstimmung, kein Mißverständniß hat die Eintracht im Schlosse zu Schwarzwaldau mehr gestört. Agnes hat ihre würdige Haltung, Emil seine mittheilsame, belebende Heiterkeit wiedergefunden; Gustav lebte als aufmerksamer, bescheiden, ergebener Verehrer zwischen Beiden, für Beide, und noch ist nichts zu Tage gekommen, was Besorgniß erwecken könnte. Täuschen diese drei Menschen Einer den Andern? Oder täuschen sie Jeder sich selbst? So viel ist gewiß: die Täuschung kann für vollkommen gelten, sie ist eine gelungene; denn sie ist es sogar für den Jäger Franz, der in Gustav nur noch einen zurückgewiesenen, entsagenden, eben deßhalb geduldeten, aber auch nur geduldeten Anbeter Agnesens erblickt. Was dieser ihm tödtlich verhaßte Eindringling dem Herrn sein möchte? danach fragt der lauernde Beobachter nicht; darauf richtet er seine Forschungen nicht mehr; mit Emil hat er längst abgeschlossen. Dagegen hat er, – freilich sehr wider seinen inneren Antrieb, doch darum nicht mit geringerem Erfolge, – ein trauliches Verhältniß mit Lisette, dem Kammermädchen angeknüpft, die also endlich zum Ziele ihrer begehrlichsten Absichten gelangte. Weßhalb er sich diesen Zwang auflegte: ist nicht schwer zu begreifen. Er will jeden Argwohn einschläfern; will den Herrn glauben machen, – (denn er trägt seine Liebschaft absichtlich zur Schau!) – daß die eitlen, unverschämten Augen längst verlernt haben nach der Gebieterin zu schielen; will für einen ›zur Erkenntniß eigener Unwürdigkeit‹ gelangten Reuigen gelten; will als solcher um so schärfer lauern, um so erfolgreicher spioniren und durch Lisetten erfahren, was (wähnt er) einem Kammermädchen auf die Dauer nicht verborgen bleiben könnte. Darin täuscht er sich vielleicht, doch er täuscht auch glücklich die Uebrigen und vielleicht, wie gesagt, täuschen sich Alle? –
    Es war im Mai.
    Grüner hatte er seit Jahren nicht gelächelt; sanfter schon lange nicht mehr die bräutliche Erde umfangen; üppiger die Maiblumen niemals aus durchwärmtem Boden gelockt. Emil schlug vor, des kommenden Tages frühzeitig aufzustehen, und einen Ausflug weiterer Art zu versuchen, der erst am Abende beendet werden sollte.

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