Schwarzwaldau
vielleicht zum Hofe gehöre, sei er selbigem auch nur durch ein königliches ›Extramensch‹ [Diesen Titel führten im ersten Lustrum der zwanziger Jahre noch weibliche Küchendienstboten und er war auf Anschlageschildern an Hausthüren zu lesen.] attachirt.
»Sie brauchen nicht in Sorge zu sein, Herr Baron,« tröstete ihn die Kleinstädterin; »es hört mich kein Mensch außer Ihnen; Ihres Götzen Stalltrommel sorgt schon dafür.«
Die Eltern der Verfechterin deutscher Musik nahmen nur geringen Antheil am Gespräch: die Mutter schien mit Seele und Leib Dresdnerin werden zu wollen und hielt sich an den Kuchen, der in allen Gattungen und Formen vor ihr aufgethürmt stand; der Vater neigte sich offenbar dem Geschmacke des Barons zu; ihm gefiel, was seine Tochter tadelte. Denn, meinte er, bin ich einmal gezwungen durch lärmendes Orchester in meiner Nachmittagsruhe gestört zu sein und haben sie mich einmal mitgezerrt an einen sogenannten Vergnügungsort, so will ich doch wenigstens hübsche Melodieen hören – und diese macht der Mann; das ist außer Zweifel. Damit hatte er ausgesprochen, was er für nöthig hielt und mengte sich weiter nicht mehr in die Sache.
Der Baron jedoch gerieth immer weiter hinein, wurde heftig und ließ sich von Streitsucht und Rechthaberei so weit verlocken, daß er gänzlich vergaß, welche Absichten ihn an diesen Tisch geleitet. Er hatte sich der reichen Erbin‹ angenehm machen wollen. Nachdem er ›am
table d'hôte
in Stadt Berlin‹ mit ihr gespeiset und durch den Zimmerkellner Namen, Stand, Wohnort des Vaters ausgekundschaftet, war es ihm ›angenehme Pflicht erschienen, das Gastrecht zu üben und die verehrten Fremden nach dem Lindeschen Bade zu führen.‹ Er hatte sich von seinen gewöhnlichen Genossen unter allerlei Vorwänden losgemacht, um den rasch entstandenen Plan auf frischer That ausdauernd und ungestört verfolgen zu können. Bis zum Beginn des Wortwechsels über Musik standen seine Angelegenheiten auch gar nicht übel; wenigstens bei Mutter und Tochter nicht, denen der ›Baron‹ wohlgefällig zu Gehöre klang. Papa, obgleich über Rossini'sche Instrumental-Composition mit dem charmanten Herrn einverstanden, sah den Zudringlichen darum nicht weniger argwöhnisch an. »Der will was!« flüsterte ihm, dem alten Geschäftsmanne, mißtrauische Vorsicht warnend zu und schon einigemale hatte er der Tochter Fuß unter dem Tische aufgesucht, um ihr mit dem seinigen ein Warnungszeichen beizubringen, sie möge nicht allzu freundlich entgegenkommen.
Jetzt war das nicht mehr nöthig. Der Baron hatte es geradezu verschüttet. Als er einlenken wollte, fand er kalte, höfliche Einsilbigkeit. Madame fühlte sich in ihrer Tochter beleidiget, die Tochter in ihrer Eitelkeit; Beide maulten. Der Baron trat den Rückzug an.
Hinter ihm her brummte eine tiefe Stimme: »Auch ein rechter Windbeutel, das!«
»Dummes, pedantisches Spießbürgervolk!« rief der Baron und eilte, seine Freunde aufzusuchen, die sich Arm in Arm gehängt auf und ab umher trieben.
»Sag' mir nur,« fragte ihm der Jüngste und Hübscheste jener jungen Laffen entgegen, »unter was für Land-Pomeranzen warst Du denn da gerathen?«
»Nichts von Land-Pomeranzen, meine holdeste Miß Viola; reine, unverfälschte Gold -Orangen. der reiche Reichenborn aus Rumburg, sammt Frau und heirathsfähiger, wie mir scheint auch sehr heirathslustiger Tochter. Ich war im besten Zuge mich einzuschmeicheln; mein Schandmaul hat mir's verdorben.«
Dieser kurze trotzige Bericht machte, als etwas schon häufig Dagewesenes, auf die Uebrigen keinen sonderlichen Eindruck. Auch Derjenige, den der Baron ›Viola‹ angeredet hatte, zeigte sich nicht davon ergriffen. Nur Einer, – wir meinen, es sei ein Bekannter aus unserm ersten Bande! – ließ sich vernehmen: »Donnerwetter, wie geschah mir denn, daß ich Carolinen nicht erkannte?« – und zugleich hatte er sich von den Andern getrennt, um geraden Weges dahin zu eilen, wo er des Barons kaum leergewordenen Stuhl einzunehmen trachtete. »Eine alte Bekanntschaft!« rief er den Gefährten, sich von ihnen los machend, zu und diese warfen ihm lachend frivole Glückwünsche nach, aus denen des Abgelöseten Warnung vorklang: »Nur hüte Dich vor Zwistigkeiten über Rossini!«
Wenn Mademoiselle Reichenborn einige Sammlung bedurfte, um Gustav von Thalwiese, da er sich ihnen näherte, gehörig zu empfangen, so geschah das nicht, weil sie ihn nicht auf den ersten Blick erkannt hätte? Mochten die
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