Schwarzwaldau
mit welchem er sonst in lebhaftem Verkehr gewesen, und welchem er nicht unbedeutende Capitalien in Händen gelassen, auf schwachen Füssen stehen solle. Herr Reichenborn war durchaus nicht der Mann, sich in solchen Fällen mit brieflichen Berichten zu begnügen; er zog vor, an Ort und Stelle selbst zum Rechten zu sehen. Deßhalb hatte er heute, ehe sie zur Mittagstafel hinabgingen, seinen Damen gesagt: »Morgen früh, aber sehr früh, reisen wir nach Prag.« Und Madame Reichenborn, vor den Koffern keuchend, hatte gefragt: »Nach Prag?« Und Caroline, die sich gern von der dicken Mama bedienen ließ, hatte hinzugesetzt: »Väterchen wird in Prag Geschäfte haben; wir werden wahrscheinlich bald in Teplitz bleiben und ihn dort erwarten.« Worauf Herr Reichenborn entschieden erwidert hatte: »Ihr werdet mit mir durch Teplitz reisen, mit mir nach Prag gehen, und mir Gesellschaft leisten; soll ich allein vor Langerweile umkommen? Erst in der zweiten Hälfte des Juli ist unsere Wohnung in Teplitz bestellt, eher dürfen wir dort nicht eintreffen.«
Carolinen war die Aussicht auf Prag eben auch nicht unangenehm; sie freute sich, diese altberühmte Stadt kennen zu lernen und sie fand sich bald in des Vaters Anordnung; während Mama, bei dem Gedanken, was dort Alles zu sehen sei und was sie Alles werde erklimmen müssen, noch heftiger keuchte, denn vorher. Doch gegen des Alten Willen und Gesetz, wenn er sich erst einmal so kathegorisch ausgesprochen, galt weiter kein Apelliren. Wie sie zum Essen gingen, (wo sich dann, wie wir wissen, der Baron an sie gedrängt), waren ihre Bündel schon geschnürt.
Ueber diese Angelegenheiten unterrichtete sich Gustav auf dem Rückwege vom Link'schen Bade vollständig. Er fragte die einzelnen Umstände theils den Eltern, theils der Tochter ab; so daß er, da er sich, vor der Thür ihres Hôtels ›glückliche Reise‹ wünschend, von ihnen trennte, ganz genau wußte, wo und wann er sie zu suchen haben würde, sobald er ihnen wieder begegnen wollte.
Und das wollte er. Sein Entschluß stand fest, Carolinen, die Erbin Reichenborn's, zur Frau von Thalwiese zu machen. Am Gelingen zweifelte er nicht; wenn es ihm nur gelang, in Teplitz oder womöglich schon in Prag einigermaßen anständig vor ihnen aufzutreten. Das hatte denn allerdings seine Schwierigkeiten. Nachdem er den ihm durch Emil's romanenhafte Großmuth überlassenen Nachlaß der verstorbenen Agnes mit seinen armen Eltern getheilt, wobei er leider den Löwen aus der Fabel gespielt und Jenen nur eben so viel zurückgelassen, daß die Hilfe keine gründliche Hilfe wurde und daß der alte Jammer in Thalwiese fortdauerte, war es gleichsam sein eifrigstes Bestreben gewesen, durch Leichtsinn und Verschwendung sich wieder in Mangel zu stürzen. Ihm, als noch nicht Volljährigen, standen beim Umsatz der geheimnißvoll in seinen Besitz gelangten Staatspapiere auch nur heimliche Schliche zu Gebote und an den schmutzigen Fingern vermittelnder Wucherer blieb von vornhinein schon mehr als ein Dritttheil des Geldes kleben. Flotte Brüder halfen den Rest vertilgen und wer einigermaßen mit den Folgen ähnlicher Existenz bekannt ist, wird weder zweifeln noch erstaunen, wenn wir kürzlich berichten, daß der junge Mann jetzt nach Verlauf zweier in Ueberfluß und Uebermuth verschwelgter Jahre, nichts mehr sein nennt, als eine namhafte Schuldenlast, deren Druck und Pein er sich zur Noth mit dem Scheinbild ehemaligen Credites vom Leibe hält. Daraus erklärt sich sein plötzlich entworfener Angriffsplan auf Carolinens noch nicht ganz erkaltetes, wenn gleich tiefverwundetes Herz gleich beim ersten Wiedersehen von selbst. Noch dringender gestaltete sich die Aufforderung, diesen eigennützigen Heirathsplan zu verfolgen, als er in seiner Wohnung einen Brief aus Thalwiese vorfand, worin seine Mutter ihm den endlich erfolgten Tod des an langen Leiden und aus Gram gestorbenen Vaters und die nun unfehlbar über sie hereinbrechende Subhastation des Gutes meldete; deßhalb ihn bei Gott beschwor, heimzukehren und Beistand zu bringen.
Seine nächste Aufgabe blieb jedoch, die Mittel zur Brautfahrt nach Böhmen herbeizuschaffen.
Zwanzigstes Capitel.
Es ist eine alte Wahrnehmung, – und Schuldenmacher von Metier werden sie gern bestätigen, auf gebührende Anfrage, – daß es niemals größere Mühe kostet, baares Geld aufzutreiben, als wenn man's just am Nothwendigsten gebraucht; ja seltsamer Weise besonders dann, wenn man es nicht unnütz durch's Fenster zu werfen,
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