Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
Vom Netzwerk:
mich genommen und diesem einige vertrauliche Worte zugeflüstert hat, welche diesen mir stets verdächtigen Menschen zum Mitwisser des Geheimnisses machen. Daraus entsprang ihre und meine trübe Stimmung bei unserer Landreise, die zuletzt auch Dich ansteckte. So viel davon, als von einer Sache, deren ich leider gewiß bin.
    ›Nun zu einer Vermuthung: Hast Du nie bemerkt, daß Franz, trotz seiner Liebschaft mit Lisetten, (die mir eigentlich wie ein falsches Feldzeichen vorkam,) seine frechen Augen auf Deine Gemalin richtete? – Ich müßte mich sehr betrogen haben, wenn er es nicht gethan hätte! Dieß vorausgesetzt, was meinst Du, wenn ich Dir nicht länger vorenthalte, daß ich, als der Schuß im Herrenwalde fiel, eine Kugel pfeifen hörte? Daß diese Kugel mir die Mütze vom Kopfe streifte und eine Locke mitnahm? Wirst Du zweifeln, daß der Schuß einem gehaßten Nebenbuhler galt? Mindestens wirst Du zugestehen müssen, daß die Verwechslung unserer Personen am vorhergehenden Tage und dieser am nächsten Tage erfolgte, fast gelungene Mordanfall, viel zu denken giebt. Die ganze Sache ist so delicat, daß ich Dich nicht damit beunruhigen wollte; um so weniger, weil Du bis zum Begräbnisse für nichts weiter Sinn hattest, und sogar aus Mitleid für den unschuldigen Thäter jeden Versuch unterdrücktest, zu erfahren, welcher Deiner Forstleute dort geschossen haben könnte? Auf Schnepfen vielleicht? Seit wann erlegt man Schnepfen mit Kugeln? Suche an Ort und Stelle nach, Du wirst meine Kopfbedeckung zuverlässig noch im Gebüsche finden. Nur vorsichtig! Mache nicht unnützen Lärm. Sei weise, wie Solon. Ich bleibe Dein
    Piststratus.‹
     
    Emil verbrannte das Blättchen, kleidete sich an und stieg die Wendeltreppe hinauf zum Jägerzimmer. Vor der letzten Stufe machte er Halt. »Nur vorsichtig!« murmelte er und begab sich auf die Wanderung nach dem Herrenwalde.
    Der verhängnißvolle Platz war bald erreicht.
    Einige Schritte rechts von der noch unzerstörten Wagenspur, wo die Räder durch den ersten heftigen Seitensprung der Pferde aus dem Geleise gerathen waren, hing Gustav's blaue Tuchmütze in den Dornen eines Brombeergesträuches. Die Kugel hatte den Deckel durchlöchert; Haare von seinem Haupte klebten halb versengt um die scharf abgeschnittene runde Oeffnung.
    Emil verbarg diesen leblosen Zeugen einer verruchten That in seinem Rocke, dann übersah er mit furchtbarer Kälte, vor der ihm selbst schauderte, prüfend und forschend die Umgebung. Der Weg durch den Herrenwald führt nicht über den höchsten Gipfel des Hügels. Die eigentliche Kuppe ist dicht bewaldet. Dort mußte sich der Mörder angestellt, folglich mußte er von oben herab gezielt haben; folglich konnte die Kugel, sollte sie entdeckt werden, gegen den Erdboden hin zu finden sein? – Und sie fand sich. Freilich erst nach langem, abmattendem Umherkriechen durch Gestrüpp und Farrenkräuter. Sie saß in einer alten Edeltanne, am Fuße des Stammes; röthlich weiße Splitter von Rinde und Bast verriethen sie dem in Angstschweiß Gebadeten. von Dornen Zerkratzten. Er grub sie mit dem Messer, welches an der Scheide seines Hirschfängers steckte, eifrig heraus. Sie hatte, da sie in weiches Holz eingedrungen schon erkaltet gewesen war, ihre vollständige Form und Rundung behalten.
    Emil wog sie nachdenklich lange in seiner Hand: »Wenn dieses Klümpchen Blei einen Zoll tiefer ging und, anstatt den Fuß eines Baumes zu erreichen, den Kopf eines Menschen traf, so war dieser Mensch jetzt kalt, . . . regungslos, . . . war ein Leichnam, wie jener, den wir unter den Trauerweiden einscharrten! Und wäre das nicht vielleicht besser? Ach, und wär' es nicht gewiß besser, es säße in meinem Hirn? O, gewiß!«
    Er wog die Kugel, und wog sie wieder:
    »Ob ich nicht den Muth haben sollte?« . . . Und bitter lächelnd fuhr er fort: »Da besinn' ich mich auf ein armes Weib . . . ich reisete durch Dresden, im Februar; das Eis der Elbe fing an, sich zu regen; hier und da blickten Wasserspiegel durch, neben Blöcken, die sich über Blöcke thürmten. Ich sah hinunter auf den Kampf der lebendigen Fluth mit dem starren Eise. Gellend durchschnitt ein Schrei die naßkalte Luft und das arme Weib stürzte sich über die Mauer der Brücke. Sie verfehlte ihre Absicht in den Wogen unterzusinken; sie fiel auf hartes Eis und brach beide Beine. Ein Soldat eilte vom Ufer nach zu ihr hin. Ehe er sie erlangen konnte, ehe er sie auflud, hatten sich neue Lücken gebildet und

Weitere Kostenlose Bücher