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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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die Rückkehr bis an's Land war nicht ohne Gefahr. Flehend rief die Unglückliche und angstvoll: nehmt Euch nur in Acht, daß wir nicht ertrinken! – Wie thöricht erschien es mir damals, daß dieselbe, die vor wenig Minuten den Tod suchte , ihn jetzt fürchtete, wo sie, verstümmelt und leidend, noch viel hoffnungsloser schien, als vorher. Und bin ich nicht thörichter als jenes Weib? Sie hatte ja nur die Beine gebrochen! Mir ist das Herz gebrochen, das Leben, die Ehre . . . und dennoch will ich nicht sterben? . . . Nein, wozu die Lügen gegen mich selbst? Ich vermag nicht, mich umzubringen; ich muß weiter fortleben! Und ich werde!« –
    Franz Sara lag angekleidet auf seinem Bett, als Herr von Schwarzwaldau in's Jägerzimmer eintrat; schien zu schlummern und regte sich nicht.
    Emil warf Gustav's durchlöcherte Kappe auf den Tisch, riß Franzens gezogene Kugelbüchse – (ein Geschenk seines alten Lehrherrn) – vom Pflock an der Mauer und paßte die Kugel in's dicke Rohr, deren Kaliber genau zutraf. Noch stand er unschlüssig, da erhob sich der Jäger:
    »Ja, Herr, ich war's! der Schurke sollte sterben, da sie noch lebte. Jetzt soll er's gewiß, da sie seinetwegen umkam. Und müßt' ich . . .«
    Emil schloß die Thür. Eine lange Unterredung erfolgte, deren Inhalt niemand im Schlosse erfuhr, obwohl sich alle Leute, vorzüglich Lisette, sehr verwunderten, was der Herr so gewaltig lange im Jägerzimmer zu thun haben möge?
    Einige Tage später empfing der Amtmann die für ihn gerichtlich ausgefertigte Vollmacht: ›Während Abwesenheit des Gutsherrn, der eine zur Herstellung erschütterter Gesundheit nothwendige Reise auf längere Zeit und außer Landes unternehme, an dessen Statt die Herrschaft zu verwalten und sämmtliche Geschäfte zu führen.‹
    Als dienenden Begleiter nahm Emil von Schwarzwaldau einzig und allein seinen Leibjäger Franz Sara mit auf Reisen.
    Lisette wollte sich die Augen ausweinen.
    »Es wächst Gras über Alles!« tröstete sie der scheidende Liebhaber.

Neunzehntes Capitel.
    ›Auf dem Bade‹ bei Dresden gab es Gartenconzert und um Rossini's ziemlich gedankenlose Crescendo's saßen, nicht eben sehr gedankenvoll, unzählige schmucke Hörerinnen an vielen Tischen; bewundernd, schwatzend, Caffee trinkend, Kuchen essend. Ich will um aller Welt Willen nichts gegen Rossini gesagt haben, dem ich dankbar bleibe für seine süßen Schelmenlieder, so lange noch ein Ton in meiner Seele nachzuklingen vermag; aber die ernsthaft gemeinten, fleißig aufgespielten, andächtig angehörten Ouvertüren, die zu jener Zeit an der Tagesordnung waren, konnten einen ehrlichen Freund der Tonkunst, mochte dieser auch nur ein Laie sein, zu gelinder Verzweiflung bringen. Dasselbe äußerte an jenem Nachmittage eine recht artige jüngere Dame gegen ihren Tischnachbar, den Baron. (Seinen Namen weiß ich nicht; es braucht ihn auch niemand zu wissen; denn ›der Baron‹ wird nicht allein von seinen näheren Bekannten, sondern in der ganzen Stadt, bis auf die Terasse, auf die Berge, bis Fintlaters, bis zur hölzernen Saloppe, bis in die Schweiz hinein: ›der Baron‹ genannt, von Freunden, Kellnern, Gläubigern, . . . warum sollten wir ihn nicht so benennen?)
    Der Baron war natürlich ein Rossinianer; denn er zählte sich zur eleganten Welt. Auch war er durch einige Damen, die mit einigen andern Damen vom Hofe entfernten Umgang pflogen, veranlaßt worden, des Herrn Capellmeisters Morlachi Compositionen schön zu finden und das ließ sich möglicherweise nur dann durchführen, wenn man bei Rossini schlechthin Alles für göttlich erklärte; nicht allein das Menschliche; auch das Unmenschliche. Seine, des Barons Gegnerin am Caffeetische, zeigte sich als Gegnerin moderner italienischer Opern-Tyrannei und sprach dieß offen und mit jener kleinstädtischen Lebendigkeit aus – (denn wir dürfen's nicht verhehlen, daß sie sammt ihren lieben Eltern aus einer kleinen Stadt kam!) – welche sich nicht die Mühe giebt, leise zu reden; auch an öffentlichen Orten nicht; weil sie vom Hause aus überzeugt sein darf, das ganze Nest kenne ja ohnehin ihre Ansichten und Gedanken. Jedesmal wenn sie im Gange ihrer ganz verständig geführten Discussion auf ›die italienische Partei und Weber's Antagonisten‹ zu reden kam, gab es dem Baron einen gelinden Zuck und Ruck durch sämmtliche freiherrliche Gliedmassen und er blickte schüchtern umher, ob nicht jemand sie belauschen könne, der eben zu dieser Partei, mithin

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