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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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sondern auf seine Art zu klugen Zwecken anwenden will. Wer für lüderliche Streiche zu fünfzig Procent Anleihen zu Stande brachte, bietet vergeblich deren Hundert und aber Hundert, sobald er darauf ausgeht, ein so zu sagen solider Mann zu werden. Erklär' es, wer da kann; aber es ist nun einmal so und Gustav auch erfuhr es zu seinem Entsetzen.
    »So muß ich denn,« sagte er zu sich selbst, »am dritten Abend nach Reichenborn's Abreise, so muß ich denn in den sauersten aller Aepfel beißen, obgleich mir von der Idee schon die Zähne lang werden, wie Zaunpfähle?!« Dieß gesagt, schlug er den Weg nach einem engen, düstern Gäßchen hinter der Frauenkirche ein, gerade als die Thurmuhr Neune schlug. Die Beleuchtung fiel damals in jenen abgelegenen Winkeln noch spärlich aus; mancher Nachtvogel flatterte im Schutze nächtlicher Dämmerung hin und her, mit ausgespannten Flügeln irgend einen der Fremden zu umwickeln, von denen die Zauberstadt, das deutsche Florenz, immer so reichlich besucht worden ist. Gustav achtete ihrer nicht, ließ sich durch ihr heiseres Gezwitscher nicht irre machen, sondern eilte seinem bestimmten Ziele zu; wie Einer, dem die Befürchtung droht, es gehöre nicht viel dazu, ihn aufzuhalten und in Durchführung widerwillig unternommener That zu hemmen. So ereilte er ein hohes, schmales Haus, kletterte über drei finstere Treppen hinauf und zog heftig an einem Bindfaden, der statt eines Glockenzuges durch das in die verräucherte Küchenthür gebohrte Loch Ellenlang heraushing. Drinnen schlug eine dünne Schelle, wahrscheinlich in besseren Tagen das Halsband eines Lieblingshündchens zierend, jetzt zu schmählicherem Dienste erniedrigt, etliche mühselige Töne an. Nach kurzer Pause öffnete sich die Pforte, das Licht einer qualmenden Lampe beleuchtete, – oder beleuchtete nicht, – die unsaubersten Wirthschaftsgeräthe, welche in wüstem Durcheinander den Raum zwischen Herd und Wand verengten und die Bewohnerin leitete ihren Gast, ihn sorgsam an der Hand führend, in's vordere Gemach, wo es übrigens ganz erträglich aussah. Dann klappte sie den Deckel der Lampe auf, um deutlicher zu sehen und nun erst erkannte sie ihn: »Ach, Sie sind es, Schönster der Schönen!? Das muß ich sagen, eine seltene Ehre. Eine große Freude! Wenn ich Sie erblicke, bewegt sich mein Herz, als könnt' ich noch einmal jung werden. Sie erinnern mich, weiß ich doch selbst kaum wie und wodurch? an den Einzigen, den ich wirklich lieb gehabt. – Na, womit kann ich dienen? Befehlen Sie nur. Für Sie geh' ich durch's Feuer!«
    Die so sprach, war ein Weib von etwa dreißig Jahren; dem Anscheine nach jünger oder älter, je nachdem ihre Züge sich belebten, oder erschlafften. Sie sah sehr verwüstet aus, trotz aller Spuren vormaliger Schönheit. Ueber ihr trauriges Gewerbe braucht nichts weiter gesagt zu werden.
    »Das ist erstaunlich,« wendete Gustav ein; »ich meinte bei Ihnen in schlechtem Andenken zu stehen, seitdem ich Sie das Letztemal aus meinem Zimmer warf? Es war brutal von mir und als es geschehen, bereuete ich meine Heftigkeit.«
    »Dergleichen muß Unsereine nicht estimiren,« seufzte sie; »wo Holz gehackt wird, da fallen Späne, wie man im gewöhnlichen Leben zu sagen pflegt. Damals gefiel dem schönen jungen Herrn mein Antrag nicht; er hatte Geld vollauf und die Vermittlerin ward ihm lästig durch ihre Zudringlichkeit. Heute . . .«
    »Nun, was ist's heute?«
    »Heute,« fuhr sie geduldig fort, »steht's vielleicht anders? Die Casse ist leer, die Gläubiger drängen, – Sie haben Sich's besser überlegt und nun suchen Sie mich auf. Lauter alte Geschichten, bei Männern wie bei Weibern, das nämliche Lied: Geld regiert die Welt!«
    »Sie machen mir's leicht, liebe Frau. Ich trat wirklich voll Besorgniß ein, voll Beschämung, wie ich einlenken sollte? . . .«
    »Ach, Dummheiten,« lachte sie auf. »
entre camerades, point de ceremonie!
wie mein erster Liebhaber, der alte Croupier von der Bank in Spaa zu sagen pflegte. Wollen wir der Frau Fürstin ein Loch in die Goldbörse schneiden? Ich bin dabei!«
    »Also ist sie noch anwesend?«
    »Sie wollte, wie meine Freundin, ihre Kammerfrau und Vertraute mir vertraut, die Bäder besuchen; doch dazu ist's wohl noch zu früh im Jahre. Hoffentlich ist sie noch nicht fort. Bei ihr gewesen bin ich schon seit etlichen Wochen nicht mehr, denn ich fiel in Ungnade, weil ich, wie sie in ihrem Polnisch-Deutsch mir auf den Kopf zu sagte, eine unbrauchbare Canaille wäre!

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