Schwarzwaldau
Du Dein betrogenes Herz in das Herz Deiner Mutter ausgeschüttet? Und soll er sich denn seitdem so gänzlich umgeändert haben, daß er aus einem Flatterhaften, Treulosen, ein solider Ehemann werden könnte?«
»Mutter, sprich dieß fürchterliche Wort nicht aus; es klingt abscheulich. Was ihr, was Vater, was Du, was Deine alten Freundinnen so benennt, hat mich immer von dem Gedanken an eine Heirath zurückgeschreckt. Es waren ja wohl ›solide Männer‹ nach eurem Sinne, die ihr mir vorschlugt, die ihr meiner besonderen Aufmerksamkeit empfahlt? Gott erbarme sich! Lieber wollt' ich unvermählt bleiben und mir von unsern Gassenjungen eine alte Jungfer um die andere nachrufen lassen! Solche Freier, die den Werth einer Rosenflur danach berechnen, ob die Blumen als Futter für unsere Kuh benützt werden könnten! Für sie giebt es kein Frühlingsgrün wie die Leinsaat, aus welcher Flachs bereitet wird; für sie keinen Sommer, als um ihre Getreidespeicher zu füllen; kein Gebirge, außer jenem, wo Gold und Silber gegraben wird; keinen Klang, wie den Klang der Münzen; kein Buch, wie ihre Rechnungsbücher; keine Schönheit, wie die des Besitzes. Ich will solchen soliden Gatten nicht; mein Gefühl sträubt sich dagegen, als Waare verhandelt zu werden.«
»Da lebst Du denn doch vielleicht in einem großen Irrthume, Caroline. Ich mache Dir keinen Vorwurf darüber, denn ich verstehe Dich und Deinen inneren Zustand vielleicht besser, als Du selbst ihn verstehst. Ich bin auch jung gewesen und habe auch meine eigenen Gedanken gehegt über diese Dinge, wenn gleich mir's heute niemand mehr ansieht; habe auch die Abneigung empfunden, bei einem Handels-Abschluß zwischen zwei Vätern, gleich einer Zugabe in den Kauf gezogen zu werden mit meiner Person. Ja, gewiß, Linchen, mir hätte auch Dieser oder Jener besser zu Gesichte gestanden, wie Dein guter Vater, der mir schon zu wenig jung war, zu wenig hübsch und viel, viel zu ›solide.‹ Dennoch, wenn ich jetzt so zurückdenke; wenn ich mein Geschick vergleiche mit jenem verschiedener Jugendfreundinnen, von denen etliche der Stimme des Herzens folgen durften, die Eine sogar ihren Willen gewaltsam durchsetzte gegen den Willen der Ihrigen! . . . . . Sie haben sämmtlich kein gutes Loos gezogen. Gerade bei der Letzteren bewährte sich's, daß ihre Person recht schmählich verkauft worden war an den schlechten Gesellen, der sie zu lieben vorgab, damit er ihre Ausstattung in seine Klauen bekäme! Sie ist von ihm geschieden und lebt durch Wohlthaten und Almosen.«
»Was Du sagst, kann wahr sein. Und ich bin nicht so leichtgläubig, daß meines Vaters Reichthum nicht schon oft mir zu ähnlichen nahe liegenden Besorgnissen Anlaß gegeben haben sollte. Ja, ich hegte damals in Schwarzwaldau einen Verdacht dieser Art gegen Gustav. Davon hat er mich völlig geheilt; er selbst, durch seine Untreue! Denn als er mich um Agnesens Willen schmählich verließ, stellte er seine Ehre in jenem Puncte siegreich wieder her. Seinen Trieben folgend, ohne Rücksicht, ohne Berechnung, bewies er, daß er wohl ein leidenschaftlicher, aber durchaus kein eigennütziger Mensch sei. Sie lockte ihn, die stolze, spröde Männerfeindin, die süße Heuchlerin; sie verlockte ihn, er widerstand ihr nicht und ließ mich ziehen. Aufrichtiger, ehrlicher fand niemals eine Trennung Statt. Jetzt ist sie todt, zwei Jahre liegen dazwischen, er hat sie vergessen, er wendet sich mir wieder zu . . . wie sollt' ich an ihm zweifeln? Wär' ihm nicht so zu Sinne, er gäbe sich wahrlich nicht die Mühe, mich's glauben zu machen.«
»Wer Dich so reden hört, sollte meinen, Du seiest Wunder wie sehr im Klaren über Dich und dabei läuft Dir sehnsüchtige Ungeduld einmal über das Andere mit der Besonnenheit auf und davon. Caroline, ich fürchte, Du giebst Deinen Trieben zu willig nach: nur von glühender Begier umschleierte Augen haben Visionen, wie jetzt eben die Deinen, wo Du ihn zu erblicken meintest.«
»Ich verleugne nicht die Gluth, die durch meine Adern rinnt; vor Dir nicht, Mutter; mag ich auch alle Uebrigen durch erlogene Kälte täuschen. Mit vierundzwanzig Jahren sind die Forderungen der Jugend noch nicht in ewigen Schlaf gelullt. So lange ich hassen, ihn im Arme einer verrätherischen, falschen Freundin verwünschen, sie anklagen und beneiden durfte, so lange behaupteten feindselige Triebe ihre Gewalt über zärtliche. Dir hab' ich nie verhehlen wollen, wie heiß es unter der Asche glüht. Wird es Dich befremden,
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