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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Nahrung mit den Worten zusammen, die seine Frau ihm auf der Treppe zugeflüstert und setzte ganz richtig voraus, die Beiden hätten vorher eine darauf bezügliche Unterredung gepflogen. Carolinens ganzes Benehmen hatte sich seit dem Dresdner Gartenconzerte so sichtbar verändert, daß des Vaters Besorgniß nothwendig auf Herrn von Thalwiese zurück geleitet werden mußte. Diese Erinnerung und seiner Tochter Schweigen verdarb ihm ein Wenig das Behagen am Abendtische. Er verschwieg es nicht. »Wenn ich Dir so gegenübersitze und habe Dein langes Gesicht vor mir, da bleibt mir der Bissen im Munde stecken. In Dresden und auf der Reise warst Du ganz anders. Ich möchte Dich froh sehen. Froh und guter Dinge, wie ich es bin. Meine Geschäfte stehen gut; Alles in Ordnung; übertriebene Gerüchte; vollkommene Sicherheit; kein Gulden verloren!«
    »Nun, dann ist ja weiter kein Grund zur Klage vorhanden, Vater; um mein langes Gesicht mache Dir keine Sorge, wenn Du nur Dein Geld gerettet weißt; das bleibt ja doch die Hauptsache.«
    »Allerdings,« erwiderte Herr Reichenborn, der die Ironie nur aus Carolinens Mienen ahnte, sie aber aus einem nach seiner Meinung mathematisch begründeten Satze unmöglich heraus finden konnte; »allerdings bleibt es die Hauptsache, weil es mir – (und hier erhob ihn die Liebe für sein einziges Kind zu wahrhaft grandiosem Schwunge!) – weil es mir die Mittel bietet, Dich glücklich zu machen!«
    »Darf ich Dich beim Worte nehmen?« wollte Caroline ausrufen, doch der Klang eines Posthorns und das Geräusch eines vor die Hausthür rollenden Wagens erschütterten sie dermaßen, daß sie inne hielt.
    »Da kommt ein Reisender an,« sagte Reichenborn; »und zwar mit Extrapost; der muß es eilig haben; wahrscheinlich ein Courier? Meinst Du nicht auch, Linchen?«
    Linchen war noch nicht so weit gesammelt, um Antwort auf diese neckende Frage zu ertheilen. Die Mutter übernahm's für sie: »Warum ein Courier, Väterchen? Alle Leute haben nicht Deine Vorliebe für die Schneckenpost unseres Pirnaischen Lohnkutschers und wer es irgend mit seinen Finanzen vereinbaren kann, nimmt gern Postpferde.«
    Das Wort ›Finanzen‹ bewährte sogleich seine stets erprobte Wirkung auf den alten Rechner: es veranlaßte ihn, die vor einigen Secunden der Tochter gemachte Zusicherung zu bereuen. Auf seiner Stirn stand geschrieben: Nicht ohne besonderen Grund hat das Posthorn meine empfindsame Tochter electrisirt! Die Gefahr rückt näher; Reichenborn, halte Dich tapfer. Dann sprach er, nicht höhnisch, obwohl gutmüthig spöttelnd: »Es freut mich nur, daß die Versicherung meiner väterlichen Liebe Dir so viel galt, Caroline; Du machst wirklich kein so langes Gesicht mehr, wie vorhin. Aber, wie wär' es, wenn wir die Tafel aufhöben und zur Ruhe gingen?« –
    »Wir verlangen es nicht besser,« sagte Mama. »Nicht wahr, mein Kind? Du wirst gern mit Dir und Deinen Gedanken allein sein und ich – je nun, ich habe Mancherlei mit Papa durchzusprechen, was Dich und Deine Gedanken betrifft.«
    Reichenborn seufzte tief, reichte seiner Gattin den Arm und musterte sämmtliche vor ihm aufmarschirte Kellner mit einem Blicke des Neides, der gedeutet werden konnte: Ihr könnt lachen; ihr habt keine Töchter, welche in Windbeutel verliebt wären und ihr habt keine Frauen, welche euch in's Gebet nehmen wollen, ehe ihr schlafen geht!

Zweiundzwanzigstes Capitel.
    Verfasser dieser Erzählung hat an andern Orten und bei andern Gelegenheiten schon mehrfach Klage zu führen versucht über die tadelnswerthe Einrichtung unserer vornehmsten Gasthöfe in Deutschland, wo es unter seltene Begünstigungen gehört, ein Stübchen zu erobern, in welchem die Wände mehr aus Mauer, als aus großen, breiten, selten fest schließenden, klappernden, zitternden, dünnen Seiten-Zwischen-Neben-Verbindungsthüren bestehen, und welche jegliche Bewegung, jegliche Regung, jeglichen Athemzug der Nachbarn weiter fortpflanzen, auch Alles, was der Gast unternimmt, vor ungebetenen Ohren-Zeugen geschehen lassen. Es liegt darin eine Rücksichtslosigkeit gegen Reisende, besonders gegen das weibliche Geschlecht, die geradezu unbegreiflich sein würde, käme ihr die fast noch unbegreiflichere Gleichgiltigkeit derer, so darunter leiden, nicht zu Statten. Wenn alle Menschen die Empfindungen des armen Schreibers theilten, der den geringsten Zufluchtsort im abgelegensten Winkel eines dritten Stockwerks, wofern derselbe nur ein wirklich abgeschlossenes Wohnzimmerchen darbietet,

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