Schwarzwaldau
daß die Lohe plötzlich wieder aufschlägt?«
»Es befremdet mich nicht, mein armes Kind; es beängstiget mich nur.«
»Und dennoch wirst Du mir helfen, den Vater für Gustav zu stimmen; seine Einwilligung zu erschmeicheln, wenn . . .«
»Ja, wenn Dein Gustav in der That sich einstellt, darum anzusprechen; wenn er wirklich kommt, um Dich zu werben . . .«
»Da kommt er.« rief Caroline triumphirend aus und wies mit dem Finger in die Dunkelheit hinab, auf dieselbe Männergestalt, die ihr bereits vorhin Gustav's Bild vor's Auge gerufen, und die jetzt wieder auf den Gasthof zu sich bewegte.
»Meine Brille sagt mir, daß er's nicht ist;« äußerte gutmüthig Mama Reichenborn; »sollte meine Brille Recht behalten über Dein ahnendes Herz?«
In der That schien er's nicht zu sein; denn abermals näherte er sich dem Hausthor, wechselte wieder einige Worte mit dem Pförtner und mit einem müßig dort lehnenden Lohndiener und entfernte sich sodann, diesesmal die entgegengesetzte Richtung einschlagend; er ging den sogenannten Graben hinauf, ohne sich auch nur nach den Fenstern umzuschauen.
»Nein, das kann er nicht sein!« seufzte kopfschüttelnd Caroline. »Aber ich will wissen, nach wem er sich zweimal erkundigte?«
Sie läutete nach dem Lohndiener. Dieser nahm es sehr übel, als an seiner Kenntniß und richtigen Aussprache der im Hôtel verzeichneten Fremden-Namen gezweifelt wurde; er versicherte die Damen: nicht nach ihnen, sondern nach einem sicheren Herrn von Thalwiese, der aus Dresden eintreffen wolle, habe eben der junge Cavalier heute schon unterschiedliche Male gefragt.
Caroline blieb auf diese Kunde niedergeschlagen und tiefsinnig sitzen, ohne ihr Gespräch weiter fortzuführen. Die liebevolle Mutter gab ihr lächelnd zu verstehen, daß ihre Betrübniß unerklärlich sei, nachdem sie nun Gewißheit habe, daß Gustav eintreffen werde.
»Im Gegentheil, Mutter; irgend ein schwerer Unfall droht ihm, hat ihn vielleicht schon ereilt! Zu allen Zeiten und in allen Landen bedeutet es nahen Tod, wenn Einer nach sich selbst fragt.«
Der Mutter Lächeln ging jetzt in lautes Lachen über und weil Herr Reichenborn, der im Nebenzimmer seine Dunkelstunde und seine dritte Pfeife beendet, mit der Bemerkung, es sei Zeit in den Speisesaal zu wandern, zwischen sie trat, so verlangte er auch seinen Antheil an der Gattin Heiterkeit.
»Caroline sieht Gespenster, Väterchen; sie hat Erscheinungen und glaubt an Vorzeichen, deßhalb lach' ich sie ein Bißchen aus!«
»Das kommt von ihrem ewigen Lesen, von den romantischen Büchern,« sagte Herr Reichenborn, der Gattin den Arm reichend.
»Sie müßte bald heirathen,« flüsterte diese ihm zu, so leise, daß Caroline es nicht vernahm; »wenn sie für Mann und Kind zu sorgen hätte, würde sie nicht so viel grübeln und träumen.«
»Freilich müßte sie, aber wen? Es ist ihr ja Keiner anständig, den ich auswähle?«
»Darüber sprechen wir vor Schlafengehen, Reichenborn; hier auf der Treppe läßt sich das nicht abmachen. – Wo bleibst Du, Caroline?« –
Sie suchten den kleinen runden Tisch auf, den sie diese Tage über inne gehabt und den sie, da er nur vier Plätze darbot, fast gänzlich einnahmen. Herr Reichenborn saß und aß für Zwei. Dabei ließ er sich gern überraschen; die Kellner mußten für ihn auswählen; mochten sie ihm auch das Theuerste bringen, er tadelte sie nicht, er bezahlte willig. »Wenn ich einmal Gast bin,« pflegte er zu sagen, »so will ich auch ein honetter sein und die armen Teufel sollen wissen, daß sie in mir einen wohlhabenden Mann bewirthen.«
Deßhalb ließ er auch trotz ihrer Gegeneinwendungen für Frau und Tochter serviren, als ob sie seine Fähigkeiten besäßen und wenn Mama Reichenborn, die übrigens keine Verächterin guter Schüsseln war, ihn aufmerksam machte, sie sei satt, und es wäre Schade, daß die Kellner unberührte Speisen wegnehmen müßten, so replicirte der splendide Reisende: »Mögen sie's hinunterschlingen; sie haben junge Magen!«
Daß er bei solchen Gesinnungen in jeglichem Speisesaale willkommen und bei sämmtlichen Gasthofs-Personalen an der Elbe, Moldau und Spree, wohin seine Wege ihn nur geführt,
persona grata
war und blieb, ist leicht zu denken. So auch hier, wo man ihn längst kannte, und wo Jeder ihn verbindlich anschmunzelte, dem er einen Blick gönnte.
Heute wollte die Sache nicht recht in Gang kommen. Reichenborn stellte seiner Tochter melancholischen Ernst, ihr entschiedenes Verschmähen jeder
Weitere Kostenlose Bücher