Schwarzwaldau
dem größten Prunkgemache mit einem Vierteldutzend Flügelthüren vorzieht, – die Herren Hôtel-Inhaber hätten sich längst genöthiget gesehen, ein halbes Hundert jener Schall-Leiter vermauern, oder doch wenigstens durch Doppelthüren und transportable Isolatoren, in Form schützender Strohsäcke dämpfen zu lassen.
Carolinens Gemach grenzte einerseits an dasjenige, welches ihre Eltern inne hatten, auf der anderen Seite an ein zufällig leeres; wenigstens war es noch unbewohnt gewesen, da der Vater sie und Mutter in den Speisesaal abzurufen kam. Jetzt, nachdem sie gute Nacht gewünscht und ein stummes Stoßgebet, von sprechendem Augenaufschlagen begleitet, der Mutter für deren beabsichtigte Unterredung zurückgelassen, entdeckte sie, daß neben ihr jemand eingezogen sei, denn sie vernahm Tritte, – wenn auch sehr leise, in weichen Pantoffeln schlürfende. Wahrscheinlich der Fremde, den das Signal des Postillons gemeldet!! – War Er's? Und wenn er's war, wußte er, wer Thür an Thür mit ihm hause? O, unbezweifelt! Denn ihretwegen einzig und allein war er ja nach Prag gekommen. Dessen fühlte sie sich gewiß. Und der Spuk, der sie in der Dämmerung geängstiget? Er war vergessen; die gespenstigen Ahnungen, das geheimnißvolle Grauen waren entwichen vor der lebendigen Nähe des viel Gehofften, oft Verwünschten, glühend Geliebten! Dennoch, oder vielmehr darum ermahnte sie ein mädchenhaftes Gefühl für Schicklichkeit, sich abzusperren, vor etwaigem Besuch zur unpassenden Stunde sicher zu stellen. Sie verschloß und verriegelte zuerst die Flurthüre zwiefach; dann begab sie sich, – wenn auch zitternd, – zur Seitenthür, um diese ebenfalls zu versperren . . . . Sonderbar! der Schlüssel, den sie im Laufe des Tages stecken gesehen zu haben meinte, war verschwunden; einen Nachtriegel fand sie eben so wenig: es fehlte der Griff desselben und schien gewaltsam abgebrochen zu sein. Schon hatte sie die Hand am Glockenzuge, Bedienung herbei zu läuten, . . . da besann sie sich, daß sie unnützes Aufhebens und sich vor den Stubenmädchen durch ihre Zimperlichkeit lächerlich machen würde. Wer hieß sie denn annehmen, daß der Reisende nur irgend nach ihr frage? Von ihr wisse? Er konnte ja ein ganz Fremder sein. Jede Vorsichtsmaßregel erweckte erst Verdacht. Vielleicht hatte der Nachbar den Schlüssel, den sie auf ihrer Seite erblickt zu haben wähnte , der sich gleichwohl auf der seinigen befand, längst doppelt umgedreht, um seinen Schlaf vor jeder Störung zu sichern? Ja, gewiß, die Thür war geschlossen und der Nachtriegel schon gebrochen gewesen, da sie einzog; sie hatte nur nicht darauf geachtet. –
Jetzt hörte sie deutlich, wie das Bettgestell des Nachbars in seinen Angeln knickte und knackte. Zuverlässig hatte sich der Mann zur Ruhe gelegt. Ach, das war nicht Gustav! Eine Angst weniger, – aber auch eine Hoffnung.
Und abermals bemeisterten sich trübe Ahnungen, mit allem Aberglauben sehnsüchtiger Bangigkeit ihres sonst ganz klaren Verstandes: Wenn er unterweges verunglückt wäre, – wenn er auf dem Wege zu ihr seinen Tod gefunden, – wenn Agnes, die eifersüchtige Freundin ihn abgefordert hätte, weil sie ihn Carolinen zum zweitenmale mißgönnte? – Wenn die räthselhafte Erscheinung des nach sich selbst fragenden Doppelgängers ein Vorzeichen gewesen? – Welche Albernheiten schwatzt nicht ein zwischen Wachen und Schlafen hin und her schwankender Traum! Und in diese unklaren Bilder drang wieder das Gemurmel der mütterlichen Stimme, welche da d'rin auf Papa Reichenborn hineinredete, der nur anfänglich von Zeit zu Zeit einen bedenklichen Einwand laut werden ließ, dann aber nachgiebig verstummte, worauf dann auch der Mutter beschwichtigende Rede nicht weiter floß.
»Es ist ihr gelungen,« klagte Caroline; »sie hat seine Widersprüche besiegt; sie sind einig entschlummert. Gustav würde nicht zurückgewiesen werden, wenn er käme, meine Hand von ihnen zu begehren! Ach, er wird nicht kommen. Lebend nicht. Nein, er weilt nicht mehr unter den Lebendigen, sonst . . . . ha, sein Geist! –«
Die Thüre ging langsam auf und der Nachbar trat ein. Caroline konnte im Finstern eben nur die Gestalt eines menschlichen Wesens erkennen und vor dieser entsetzte sie sich dermaßen, daß sie tödtlich erschreckt ihr Antlitz in den Kopfkissen barg. Doch nicht so tief, daß nicht ein flüsternder Mund ihr Ohr erreicht und ihr das süße Wort »Verzeihung!« glücklich zugelispelt hätte!
Ach
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