Schwarzwaldstrand
Sprachbarriere leider nicht geschafft, ihm das deutlich zu machen.
Auch wenn er hier auÃer Dienst war, er musste rasch handeln. Aber wie?
Er hatte keinerlei Befugnis, als deutscher Kommissar in ein italienisches Verfahren einzugreifen. Klar, er könnte zur örtlichen Polizei gehen und die Kollegen auf die Unstimmigkeiten aufmerksam machen. Aber würden sie ihn dort überhaupt verstehen? Verstehen wollen?
Sollte er das deutsche Konsulat in Venedig informieren? Oder vielleicht am besten gleich das Bundeskriminalamt? Das hatte doch italienische Kontaktleute, die sich in internationale Kriminalfälle einschalten konnten.
Aber dafür musste die Sache wirklich wasserdicht sein. Sonst würde er sich blamieren.
Zunächst musste er eine zweite Fachmeinung in Sachen Leichenschau einholen. Eine vertrauliche. Denn bisher waren seine Zweifel nicht mehr als eine Hypothese.
Er würde die Fotos einem anderen Experten schicken.
Seinem Kollegen Claas Thomsen in seiner Dienststelle vielleicht?
Winterhalter verwarf den Gedanken, bevor er ihn zu Ende gedacht hatte.
Zu Thomsen hatte er alles andere als ein Vertrauensverhältnis. Der lieà keine Gelegenheit aus, ihm eins auszuwischen.
Abgesehen davon, dass der aus Norddeutschland stammende Kriminalhauptkommissar aufgrund seiner Schmutzphobie mit Winterhalters Nebenerwerb, seinem Bauernhof, ein massives Problem hatte (»Sie riechen heute ja schon wieder nach Stall«, lautete eine gängige BegrüÃung im Büro. »Haben Sie keine Badewanne?«). Auch Winterhalters mitunter etwas hemdsärmeligen Ermittlungsmethoden mochte Thomsen nicht. Wobei er im Grunde ohnehin nur die eigenen Methoden akzeptierte.
Sollte Winterhalter vielleicht seine Kripochefin um eine zweite Meinung bitten? Vermutlich würde ihn Frau Bergmann aber für verrückt erklären, wenn er ihr Leichenfotos aus dem Urlaub schickte. AuÃerdem war sie ohnehin sehr beschäftigt â vor allem damit, sich als neue Polizeipräsidentin ins Gespräch zu bringen. Und auf dem Weg dorthin war es ihr sicher nicht genehm, wenn sich einer ihrer Untergebenen in die Arbeit der italienischen Polizei einmischte.
Dörr, schoss es Winterhalter durch den Kopf. Eric-Carsten Dörr. Mit dem Freiburger Gerichtsmediziner, der in Villingen wohnte, hatte er schon jahrelang engen Kontakt. Dörr freute sich immer unbotmäÃig, wenn Winterhalter ihm seinen selbst gemachten Schwarzwälder Schinkenspeck zu Weihnachten schickte. Für einen solchen als Honorar würde er sich die Fotos sicher gerne anschauen.
Nur, wie konnte er ihm die Bilder zukommen lassen? Und vor allem so, dass Hilde nichts davon bemerkte. Zudem: Er musste schnell handeln, noch bevor die Leiche nach Deutschland überführt wurde.
Ãber diese Gedanken fiel Winterhalter in einen leichten Schlummer. Er begann zu träumen.
Von seinen Kühen, die sich im Stall drängten und wegen ihrer prallen Euter schrien.
Ich muss sie endlich melken, dachte sich Winterhalter.
Doch gerade, als er damit anfangen wollte, entdeckte er eine Frauenhand, die aus dem Heu ragte, das die Kühe in sich hineinfraÃen. Er schob das Heu beiseite und legte eine Leiche frei. Es war die Frau vom Strand.
Sie sah noch entsetzlicher aus und war von Leichenflecken komplett übersät. Da erschien plötzlich seine Ehefrau Hilde, die Fäuste geballt und in die Hüften gestemmt.
»Karli, häsch du die Frau ermordet?«, fragte sie streng.
»Karli«, rief Hilde noch einmal. Doch diesmal war es nicht die Hilde aus dem Traum, es war die echte, leibhaftige, viel positiver gestimmte Hilde, die gerade an der Digitalkamera hantierte und von ihrem Mann ein abendliches Foto schieÃen wollte.
»Karli, nimm doch mol die blöde Kapp ab und lächel in die Kamera«, sagte sie. »Du siehsch gârad so schön entspannt aus.«
»O Hilde, jetzt lass des doch bitte!«, reagierte Winterhalter unwirsch.
»Jetzt sei doch nit so«, gab sich Hilde beharrlich und drückte ein paarmal auf den Auslöser. Dann setzte sie sich wieder in ihre Klappliege.
»Ha, mir habet schon echt ä paar schöne Urlaubsfotos gâmacht«, sagte sie und begann, die gespeicherten Bilder in der Fotogalerie an sich vorbeiziehen zu lassen. Karli beim Vorzeltaufbau, Hilde am Campingkocher, Karli beim Speckvesper, Hilde am Strand, blauviolette Flecken â¦
Moment!
»Karliii!« Hilde Winterhalter zog das
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