Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzwaldstrand

Schwarzwaldstrand

Titel: Schwarzwaldstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander · Ummenhofer Rieckhoff
Vom Netzwerk:
doch dann gab ihm sein Gehirn den Hinweis, dass er jetzt nicht in Reihe 2, sondern ganz nach vorne gehen musste.
    Und auch wenn es ungewiss war, wo er sich mehr blamieren würde, trugen ihn seine Beine zur improvisierten Bühne, wo Winterhalter ihm eine Rumbarassel in die Hand drückte.
    Â»Ah, jetzt kommt sicher ein Schlager aus den Siebzigern«, mutmaßte sein Lehrerkollege Hoffmann angesichts des Anzugs. Das nahm ein halbes Dutzend anderer Gäste zum Anlass, scherzhaft, aber vielleicht doch auch etwas im Ernst, Titel vorzuschlagen – von »Ein Bett im Kornfeld« bis zu »Tränen lügen nicht«. Es war nichts dabei, das Winterhalters auch nur halbwegs im Repertoire gehabt hätten. Glück gehabt!
    Als Hummel die Bühne betrat, war sein Gesicht so rot wie der Wein, den er im Übermaß zu sich genommen hatte.
    Â»Bravo, Signor Ummel«, rief Marco. Hubertus hasste ihn mittlerweile unbändig.
    Er hasste ihn mit jedem Takt von »Ein Schwarzwälder Mädel und ein Schwarzwälder Kirsch« mehr.
    Drei Minuten ging das Lied, doch Hummel kamen sie wie dreißig vor.
    Â»Zugabe! Zugabe!«, brüllte Marco euphorisch. Die anderen fielen ein, nicht ganz so enthusiastisch.
    Sie spielten also in Ermangelung anderer Lieder noch einmal die »Schwarzwaldmarie«.
    Bei Winterhalter war es pure Routine. Er dachte beim Musizieren über den Fall nach. Eine Frau aus seiner Heimatregion war alleine auf diesen Campingplatz gekommen, hatte offenbar auch keineswegs neue Gesellschaft gesucht. Sie hatte viel fotografiert – und zwar weniger die Natur und das Panorama als vielmehr die alltäglichen Urlaubsszenen auf dem Platz.
    Eine Fotografin, die einen Bildband über Campingplätze plante?
    Unwahrscheinlich.
    Und warum hatte sich die Frau unter falschem Namen hier angemeldet?
    Weil sie sich schämte, rauschgiftsüchtig zu sein?
    Hatte ihre Drogenabhängigkeit möglicherweise zu einer Wesensveränderung geführt?
    War sie unzurechnungsfähig gewesen?
    So unzurechnungsfähig, dass sie sich nachts an den Strand gelegt hatte?
    Mit Einstichen am Arm?
    Und die Schleifspuren? Wer hatte die Frau nach ihrem Tod an den Strand geschleppt?
    Und weshalb kannte sie keiner hier aus der Heimat, wenn sie doch ihren Wohnsitz in Villingen-Schwenningen gehabt hatte? Keiner der Dutzenden Menschen, mit denen er in der Pause gesprochen hatte und von denen doch ein erklecklicher Anteil aus dem Schwarzwald stammte.
    Gut, so klein war der Schwarzwald auch nicht. Aber dass niemand die Frau gekannt hatte oder hier mit ihr ins Gespräch gekommen war, das mutete seltsam an.
    Â»Kleine, feine Schwarzwaldmarie«, sang neben ihm Hubertus Hummel mit rotem Kopf und seiner Rumbarassel in der Hand pflichtschuldig und gänzlich uneuphorisch mit. »Dir bin ich treu, dich vergesse ich nie.«
    Hilde spulte ihr Programm herunter, aber es war zumindest für ihn, ihren Mann, offensichtlich, dass er sich noch auf einiges gefasst machen konnte.
    Während Hummel neben ihm immer mehr aus dem Takt kam, machte sich Winterhalter leichte Vorwürfe. Vielleicht sollte er auf seine Gattin doch mehr Rücksicht nehmen. Sie hatte sich diesen Urlaub verdient. Und sie hatte ein Anrecht darauf, dass er sich in diesen wenigen Wochen etwas mehr um sie kümmerte.
    Auch Hummel quälte sich. Er wollte nur weg. Allein sein. Ohne diesen Anzug, mit dem Elke ihn zum Gespött des gesamten Zeltplatzes gemacht hatte.
    Hörte dieses Lied denn nie mehr auf?
    Ausgerechnet Harald brachte die Erlösung. Mit den Worten »Ich hab auch noch ein Lied aus meiner Heimat« sprang er auf die Bühne und begann zu singen.
    Akkordeon-Unterstützung bekam er keine – wie auch?
    Hilde Winterhalters Stimmung war nun etwa so weit im Keller wie vergangenes Jahr, als sie noch der irrigen Meinung gewesen war, man könne Kriminalhauptkommissar Thomsen mit einer ihrer Freundinnen verkuppeln. Der hatte ihr nach langem Hin und Her und einer nachmittäglichen Hausmusik in Linach schließlich gestanden, er fände sämtliche der drei infrage kommenden Damen »grauenvoll – vom Dialekt bis zum Intellekt«.
    Harald hatte sich unterdessen mit Hummels Rassel bewaffnet, was der umgehend nutzte, um von der Bühne zu schleichen und sich in die schon einigermaßen gelichteten Reihen zu setzen. Als er seine Beine zur Seite schob, um einen weiteren Flüchtenden durchzulassen, verschüttete

Weitere Kostenlose Bücher