Schwarzwaldstrand
dieser seinen Wein auf Hubertus Sakko.
»Sieht jetzt schöner aus«, meinte der Verursacher nur lallend.
Hummel war ihm nicht einmal böse. Er würde das Ding umgehend entsorgen.
Die wenigen Verbliebenen, die noch die letzten Flaschen Lambrusco leerten, wurden von Harald mit einer A-cappella-Darbietung der Schalke-Hymne »Ein Leben lang â blau und weià ein Leben lang« belohnt. Es war ein echter RausschmeiÃer.
Winterhalter überlegte, ob der Abend sich wirklich gelohnt hatte, wenn man die eingegangenen Informationen mit dem zunehmenden Groll verrechnete, den seine Frau nun gegen ihn hegte.
In diesem Moment wurde die geistige Waagschale mit der Aufschrift »misslungener Abend« noch um einiges beschwert, denn Signor Di Salvo, der Campingplatzchef, stürmte auf die Bühne. In einer Stimmung, die sogar Harald verstummen lieÃ. Lediglich dessen Sohn applaudierte.
»Signor Winterhalter«, setzte Signor Di Salvo mühsam beherrscht an. »Kommen Sie bitte einmal mit.« Dann zog er ihnunter den staunenden Augen Hildes an die Rezeption und zeigte ihm in seinem Laptop den Artikel im Schwarzwälder Kurier, in dem Winterhalter gegen seinen Willen zitiert wordenwar.
»Wie kommen Sie dazu, über eine Verstrickung der Mafia zu spekulieren?«, fragte Di Salvo ihn.
»Mafia? Mafia â ich ⦠Also â¦Â«, stotterte Winterhalter los.
Der Signore nestelte an seiner Krawatte, als brauche er dringend Luft. »Ich dachte, wir wären amici â gute Freunde. Aber Sie â¦Â«
»Höret Sie mol«, versuchte Winterhalter zu beschwichtigen. »Der Journalist isch än völlig falsche Fuffziger. Ich hab von Mafia gar nix gâsagt â¦Â«
Wenn er aufgeregt war, verstärkte sich seine Dialektfärbung, was zu Lasten der Verständlichkeit ging.
Signor Di Salvo wollte ihm aber ohnehin nicht zuhören. »Wollen Sie meine Arbeit kaputt machen? Es gibt doch die eindeutige Aussage vom Dottore: Die arme Frau hatte einen colpo di calore, Hitzschlag, und ist am Strand gestorben. Tremendo, schlimm, aber warum machen Sie daraus einen Mafiamord?«
»Mach ich jo gar nit«, verteidigte sich Winterhalter schwach. »Aber des eine oder andere in dem Fall isch schon sehr seltsam. Und zumindescht stand des Opfer unter Drogeâeinfluss. Des hat mittlerweile sogar de Arzt bestätigt. Da muss mer halt als Kriminalbeamter im Urlaub â¦Â«
»Urlaub! Vacanza, Signor Winterhalter«, unterbrach ihn der andere. »Genau: Sie haben Urlaub. Und Sie sind in Italia. Dennoch missbrauchen Sie heute Abend während der Kulturveranstaltung die Zuschauer und stellen Fragen!«
»Sie sind gut informiert«, meinte Winterhalter nur. »Und woher wisset Sie eigentlich von dem Zeitungsartikel?«
»Es gibt sehr viele Schwarzwälder Landsleute von Ihnen hier, gente della Foresta Nera. Einige sind jetzt beunruhigt, wenn ein Kommissar solche storie, solche Geschichten, verbreitet.«
»Dann sind Sie von Gästen auf den Artikel aufmerksam gâmacht worde?«
Der Signore nickte grimmig. »Si. Ich weià auch, dass Sie am Telefon in der Rezeption über den Mord gesprochen haben.«
»Habet Sie mich belausche lasse?«, empörte Winterhalter sich nun.
Der Signore, der besser Hochdeutsch sprach als der Kommissar, schaute ihn leicht verächtlich an. »Sie reden nicht am Telefon, Sie schreien. Das kann man gar nicht überhören.«
»Höret Sie«, versuchte es Winterhalter noch einmal. »Ich ermittel gar nit in dem Fall. Ich will auch nit den einheimische Kollege â¦Â«
»Sie sollten Urlaub machen, Kommissar Winterhalter«, fiel der Campingplatzchef ihm ins Wort. »Hören Sie auf Ihre Frau. GenieÃen Sie sole, camping, vino und mare. Normalerweise müsste ich Sie sogar des Platzes verweisen â¦Â«
Winterhalter war so beeindruckt, dass der Signore auch den Genitiv beherrschte, dass er den Inhalt des Satzes gar nicht richtig registriert hatte.
»Des Campingplatzes verweisen.« So sprach sonst allenfalls Thomsen.
»Im Ãbrigen hat sich Dottor Bertolucci bei mir beschwert. Sie waren in seiner Praxis und haben ihn über den Todesfall ausgefragt. Versuchen Sie bitte, nicht mehr aus der Geschichte zu machen, als es ist: ein tragischer Todesfall. Capito?«
Winterhalter nickte nun lieber schweigend, auch weil er nicht den Campingstammplatz riskieren
Weitere Kostenlose Bücher