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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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eine super Anwältin«, sagt sie.
    »Ich bin Staatsanwältin, Carla. Ich bin dazu da, ihn zu verknacken, und nicht, ihm den Arsch zu retten. Ihr könnt froh sein, dass ich bei Rocco schon immer beide Augen ganz fest zumache.«
    Carla macht ein knittriges Gesicht, kuckt von unten zu mir hoch und sagt: »Rocco ist echt harmlos.«
    Ich weiß, dass er das ist. Trotzdem ist er jemand, den ich eigentlich sofort einbuchten müsste. Rocco Malutki hat noch nie im Leben einen Job gehabt, der hat noch nie gearbeitet, und trotzdem hat er immer genug Geld für schicke Vintage-Anzüge. Carla behauptet, seine Mutter hätte ihm was vererbt. Alle auf dem Kiez wissen, dass da nichts zu vererben war. Wenn Rocco Malutki keine Zauberfee ist, muss er das ein oder andere krumme Ding drehen, um leben zu können. Aber weil er Klatsches Kumpel und Carlas Lover ist, weil er für meine Freunde wichtig ist, will ich davon nichts wissen. Außerdem mag ich den Streuner. Der verströmt immer so viel Zuversicht, ich weiß auch nicht, wo er die eigentlich hernimmt. Klatsche sagt: Dem Rocco Malutki scheint die Sonne aus dem Arsch. Ich denke, er hat recht damit. Und Rocco tut niemandem weh, auch wenn er sich nicht gesetzestreu verhält. Wenn es danach ginge, müsste ich wahrscheinlich eher mich selbst einbuchten als Rocco. Wir überqueren die Reeperbahn und laufen ein Stück die Davidstraße hoch. Die Huren sind noch nicht da, die fangen erst um acht an. Ohne die Huren ist die Davidstraße nur halb so schön. Ohne die Huren fehlt was. Hoffentlich vertreibt die nicht irgendwann mal einer von hier. Die Davidstraße, die kiezige alte Göre, wird immer schicker. Dadurch aber ganz und gar nicht schöner. Ich weiß nicht, ob es wirklich nötig war, hier so ein Dreieck aus oberblödem Asiarestaurant, geschmacklosem Hotelklotz und seelenloser Panoramabar hinzupflanzen. Das Schlimmste ist, dass es so wirkt, als würde da Methode hinter stecken. Als hätten sich ein paar Leute mit viel Geld vorgenommen, Sankt Pauli kaputt zu machen. Hier haben sie vor ein paar Jahren damit angefangen, hier und am Spielbudenplatz, als sie da diese Wellblechbühnen für hirnverbrannte Großevents hingebaut haben. Inzwischen haben sie sich in fast alle Kiezhauptstraßen vorgearbeitet. Die überrollen Sankt Pauli richtig mit ihrem Latte-macchiato-Lounge-Dreck.
    Bevor es für uns zu böse wird, bevor dieser ganze Copper-House-East-Hotel-Elbwerk-Wahnsinn anfängt, biegen Carla und ich rechts ab. In der Friedrichstraße ist sofort Schluss mit dem Scheiß. Nur noch ehrliches, dreckiges, nebliges Hamburg.
    »Moin, Mädels«, sagt ein Typ, der übern Kantstein stolpert, uns in die Arme fällt und uns dabei fast zu Boden reißt.
    »Moin, Moin«, sagen wir, stellen ihn wieder auf die Füße und geben ihm einen Schubs in die Richtung, in die er eigentlich wollte, damit er noch ein bisschen vorankommt. Carla hängt sich bei mir ein. Sie schwankt so komisch.
    »Musst du wieder spucken?«
    »Nee«, sagt sie, »leider nicht, aber ich würde gerne.«
    Sie krallt sich fester an meinen Arm.
    »Das ist nur so glitschig hier.«
    Sie hat sich vor dem Spiel natürlich nicht umgezogen und glittert jetzt auf ihren hohen Hacken übers feuchte Kopfsteinpflaster.
    »Sollen wir schon mal in die Blaue Nacht gehen? Willst du dich ein bisschen ausruhen?«
    »Ey, da hängen wir demnächst noch oft genug rum«, sagt sie. »Lass mal lieber zum Hafen kucken.«
    Aber immer. Hafen kann ich dauernd.
    »Und mach dir mal keine Sorgen«, sagt sie, »mir geht’s gut.«
    Die Wolken sind inzwischen so zäh mit der Elbe verquirlt, dass man die 11 am Dock 11 nicht mehr lesen kann. Die Lichter der Kräne, Schiffe und Containerterminals fließen vom Horizont ins brackige Wasser, auf dem noch ein paar wenige Möwen sitzen und sich an der dunklen Glut wärmen.
    *
    Ich bin rechtschaffen durchgefroren. Die nasse, eisige Nebelfront ist echt eine der härtesten Waffen des Hamburger Herbstes. Hab mich in eine Ecke von Alis Theke geklebt. Durch die schmutzverdunkelten Fenster kann ich in die Herbertstraße schauen. Da kann man als Frau sonst ja nie reinschauen. Das ist allerdings ein unschlagbares Argument für diese Bar und vor allem diesen Platz hier. Ich beobachte die verschwommenen Umrisse der Männer vor den Schaufenstern, sehe in den Fenstern aber nur ein paar rote Lichter glimmen oder Pailletten glitzern, wahrscheinlich ist auch noch ein bisschen Haut dabei, mehr kann man nicht erkennen. Ali sollte verdammt noch mal seine

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