Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
vors Gesicht.
»Das ist aber auch ein hartes Lazarett hier«, sagt der Faller. »Und wenn Sie jetzt nicht endlich zum Arzt gehen, Chastity, dann packe ich Sie demnächst an Ihren dicken amerikanischen Haaren und schleife Sie da höchstpersönlich hin.«
Jaja.
»Mir geht’s gut«, sage ich.
»Das hört man«, sagt der Calabretta.
Und Carla sagt:
»Ich kann gerne mitkommen zum Arzt, wenn du Angst hast.«
»Ich hab keine Angst«, sage ich, »mir geht’s gut. Lasst mich in Ruhe. Punkt.«
Der Faller nimmt einen Schluck Apfelsaft, wir anderen nehmen einen Schluck Bier. Klatsche poliert. Telly Savalas singt davon, dass man der Liebe nicht die kalte Schulter zeigen darf.
»Und, mein Mädchen«, sagt der Faller, »was sagt der Oberchef?«
»Der Oberchef sagt, dass alles nur ein Missverständnis ist und wir die Ermittlungen einstellen.«
So. Bitte schön. Geht doch. Man kann so was einfach sagen. Und das Zwicken im Kopf wird auch irgendwann nachlassen.
»Wie bitte?« Der Faller kuckt mich an, als hätte ich Ernie und Bert auf dem Kopf sitzen.
»Akte schließen«, sagt der Calabretta.
»Sackzement«, sagt der Faller. Ich kann auch im schummrigen Licht der Blauen Nacht sehen, wie er kalkig wird im Gesicht, um die Nase herum wird er richtig weiß. Die Ader an seiner Schläfe fängt an zu puckern. Er reißt sich zusammen. Er sieht aus wie eine dieser Comicfiguren, kurz bevor sie platzen. Er platzt nicht. Er hat über die Jahrzehnte gelernt, wie man das macht, nicht platzen. Er sagt nur ein Wort:
»Wichser.«
Dann atmet er tief ein, trinkt seinen Apfelsaft auf ex, sagt »noch einen« und zündet sich eine Zigarette an.
In den Gesichtern der anderen schwingt eine Mischung aus Zurückhaltung und Bedauern. Sie wissen, dass hier irgendwas gründlich beschissen läuft. Und sie wissen, dass sie sich besser raushalten.
»Ich weiß nicht, wie’s euch geht«, sagt der Calabretta irgendwann, »aber ich hätte große Lust, alle kleinen Gangster, die in dieser Stadt in den letzten Jahren eingelocht worden sind, aus den Knästen zu holen. Nur um der Gerechtigkeit willen.«
»Ich kann gerne eine Liste fertigmachen«, sagt Rocco, und wenigstens der Calabretta muss mal kurz lachen, auch wenn Rocco das sehr ernst gemeint hat.
»Ach du grüne Neune«, flüstert Klatsche und kuckt zur Tür, »was will der denn hier?«
Wir drehen uns alle um, und ich brauche einen Augenblick, bis mir einfällt, wer der halbe Hahn ist, der eben zur Tür reinkam. Das ist dieser blöde Reporter. Jung, unhöflich, nervtötend. Der hat mich tatsächlich schon mal von der Seite angemacht, dass er »jederzeit öffentlich machen kann«, dass ich mich mit einem »Halbweltcasanova« eingelassen hätte. Einfach so hat der das zu mir gesagt, im Vorübergehen. Ich habe ihm dann gesagt, er soll mal nicht so angeben. Unangenehmer Typ. Aber: in seinem Job eine glatte Eins. Der ist ein echt harter Hund. Wenn der einmal Blut gerochen hat, gibt er nicht auf, bevor seine Beute zappelt. Solche gibt’s nicht mehr oft.
Der Faller kennt ihn auch noch. Die beiden sind ein paarmal aneinandergerasselt, als der Faller noch bei der Kripo war und seine Informationen nicht rausrücken wollte.
»’n Abend«, sagt der Reporter.
»’n Abend«, sagt Klatsche. Rocco wischt die Fensterbänke und kuckt finster. Er ist einer von den Typen, die immer sofort riechen, wenn jemand gefährlich ist.
Der Faller räuspert sich, steht auf und geht aufs Klo.
Der Reporter setzt sich an einen der Ecktische am anderen Ende der Bar.
»Ein Bier, bitte«, sagt er.
»Jo, kommt sofort«, sagt Klatsche und holt ein Astra aus dem Kühlschrank.
Der Reporter kuckt mich an. Ich hab keine Ahnung, was der hier will. Was der vorhat. Er sieht aus, als wolle er stänkern.
Der Faller kommt vom Klo und steuert nicht auf seinen Platz an der Theke zu, sondern auf den Ecktisch, an dem der Reporter sitzt. Ach so. Ich schnalle, was der Faller vorhat. Und ich ahne inzwischen auch, was der Reporter hier macht: Den hat der Himmel geschickt.
Der Faller pflanzt sich unerhört dicht neben das schmächtige Männlein. Das wirklich völlig schmerzfrei ist und keinen Millimeter abrückt.
»Mensch«, sagt der Faller, »lange nicht gesehen.«
»Hab ich Ihnen gefehlt?«
»Nein«, sagt der Faller, »so weit will ich nicht gehen.«
Er zündet sich eine Zigarette an. »Aber du warst keine Sekunde zu lange weg.«
Der Reporter nickt bedächtig mit seinem knochigen Kopf, und er sieht aus wie ein auf Zeitlupe
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