Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
Fenster putzen. Ich huste ein bisschen vor mich hin und versuche, Klatsche und Rocco nur mit halbem Ohr zuzuhören, denn ihr Geplapper geht mir auf die Nerven. Die Jungs plustern sich tierisch auf: »… werden den Laden selbstverständlich in deinem Sinne weiterführen … sind ja auch nicht ganz unbekannt hier auf dem Kiez … nee, Bilder und Möbel bleiben drin, klar … vielleicht mal streichen … ach so, nee, muss ja nicht … da mach dir mal keine Sorgen, das kriegen wir schon zusammen, die Kohle, kein Problem … hey, natürlich, du sprichst mit Geschäftsleuten … blablabla, blablabla …«
Rocco und Klatsche sind so heiß auf den ollen Schuppen, ihnen glüht fast der Arsch durch die Kunstlederhocker, auf denen sie unruhig hin und her rutschen.
Ali steht groß und schwer wie eh und je hinter seiner Theke, ein mächtiger Türke, aber er sieht inzwischen wirklich ein bisschen müde aus. Sein Schnurrbart hängt, und er trägt sein Hemd nur noch halb so weit offen wie früher. Er scheint tatsächlich alt zu werden. Kann man ja auch verstehen, dass er keine Lust mehr hat, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen. Aber muss er seine brüchige Dame hier unbedingt an zwei halbstarke Halunken übergeben?
»Kann ich einen Kaffee haben?«, frage ich.
Ali nimmt die verkalkte Glaskanne von der Wärmeplatte, gießt ölige, lauwarme Flüssigkeit in eine lila-weiß geblümte Tasse und stellt sie mir vor die Nase. Mit einem Brummen, von dem ich glaube, dass es freundlich gemeint war. Ich verzichte auf den angebotenen Süßstoff und die Dosenmilch und trinke den Kaffee schwarz. Das Zeug ist so sauer, dass ich mich schütteln muss. Hoffe, Ali hat es nicht gesehen. Ich will ihn nicht verletzen.
»Ist der Kaffee gut?«, fragt er, als er schnell mal mit einem Lappen den Tresen wischt, um meine Tasse herum.
»Jaja«, sage ich, »super. Kann ich jetzt bitte einen doppelten Wodka auf Eis und Zitrone bekommen?«
Ich wische mir den Mund ab und muss mich noch mal schütteln.
Klatsche weiß, wie Alis Kaffee schmeckt. Er zwinkert mir zu und flüstert gönnerhaft in meine Richtung, dass er gleich mal zu mir kommt. Wow, denke ich, der Herr Barchef kommt gleich mal zu mir.
Carla war die letzte Viertelstunde auf der Toilette verschwunden. Dazu muss man jetzt wissen, dass die Toilette der Blauen Nacht kein Ort ist, an dem man auch nur eine Viertelsekunde verbringen möchte. Wäre sie noch eine Minute länger geblieben, ich hätte sie da rausgeholt. Sie ist sehr blass um die Nase, was bei ihrer Karamellhaut fast gelb aussieht. Nicht gut. Ich glaube, sie war spucken, aber ordentlich.
Wenn ich ganz ehrlich bin, ist mir auch schlecht. Aber eher seelisch. Ich sollte mich freuen. Weil man sich für eine Freundin freut, wenn sie schwanger ist. Weil sich immer alle freuen, wenn jemand schwanger ist. Weil man sich über neues Leben eben freut. Ich kriege es aber nicht hin. Ich kann mich nicht freuen. Vielleicht, weil Carla sich offensichtlich kein bisschen freut. Es sieht nicht so aus, als wäre sie glücklich über das Kind in ihrem Bauch.
Aber es geht gar nicht nur um Carla. Auch wenn ich mich dafür schäme: Ich tue mir leid. Ich habe Angst, Carla an ihr Kind zu verlieren. Ich kann mit Kindern nicht viel anfangen. Wenn Carla erst mal ein Kind hat, werden wir uns voneinander entfernen. Keine gemeinsamen Nächte mehr, kaum Zeit am Tag. Wird sie ihr Café dichtmachen müssen? Wie soll das denn gehen, mit Baby? Geht mein zweites Zuhause flöten? Und was ist mit der Sauferei? Ich habe verlernt, alleine zu trinken. Carla und Klatsche haben es mir abgewöhnt. Und so sitze ich hier in dieser heruntergekommenen Kaschemme, denke über ein Baby nach und merke, dass ich in den letzten Jahren ganz nebenbei ein paar Menschen sehr nah an mich rangelassen habe. So nah, dass es mir das Herz brechen würde, sie zu verlieren. Ich dachte eigentlich, das passiert mir nicht mehr. Pech gehabt. Oder doch Glück?
»Gib mir mal ’n Wodka«, sagt Carla und schiebt sich neben Rocco Malutki an die Theke.
Ali stellt ihr das Glas hin. Carla kippt und sagt: »Noch einen, bitte.«
Rocco legt ihr den Arm um die Schultern, zieht sie an sich und sagt: »Ha. Das ist mein Mädchen.«
Also. Erstens: Ich kenne mich ja mit Schwangerschaften nicht aus, aber ich glaube, Schnaps ist nicht in Ordnung. Zweitens: Rocco weiß offensichtlich noch gar nichts von seinem Volltreffer.
MATJES ODER BISMARCK?
I hr Anruf kam genau im richtigen Moment, mein Mädchen«, sagt der
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