Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

gestelltes Wiesel.
    »Dann lassen Sie mal hören«, sagt er.
    Der Faller kuckt zu uns und wischt einmal mit der Hand durch die Luft. Als würde er uns wegwischen. Und dem Reporter signalisieren: Die sind ja gar nicht da.
    Und dann sagt er leise, aber so, dass ich es gerade noch hören kann:
    »Pass mal auf, Freundchen. Ich hab da vielleicht eine Geschichte für dich.«
    Wir drehen uns allesamt wieder zur Theke um und tun so, als wären wir nicht da.
    *
    Es ist Nacht auf Sankt Pauli. Ich lasse mich von den Lichtern nach Hause bringen. Vorhin, als wir alle noch bei Klatsche und Rocco an den Bierflaschen saßen, hat es angefangen zu schneien, jetzt ist der erste richtige Schnee dieser Saison da. Dicke Flocken fallen vom Himmel, aus undurchdringlichen Wolken, die den Schein der Stadt zurück in die Straßen werfen. Alles schimmert in einem kühlen Orange. Ich bleibe stehen, schaue nach oben und muss lächeln. Da hat doch tatsächlich jemand eine Diskokugel aufgehängt. An einer sehr hohen Straßenlaterne, gleich neben der Davidwache. Eine winzige, glitzernde Kugel. Baumelt da rum und schickt Blitze in die Kieznacht.
    Solange es in dieser Stadt Leute gibt, die solche Aktionen machen, ist nicht alles schlecht.
    »Hey.«
    Ich hab ihn gar nicht kommen sehen. Er steht ganz dicht vor mir. Auf seinen langen Wimpern bleiben die Schneeflocken liegen. Er hebt seine Hand und streicht mir ganz leicht über die Wange. Er sieht mich lange an. Und diesmal lass ich ihn.
    »Nimm’s mir nicht übel, okay?«
    Ich nehm’s dir nicht übel. Nimm’s du mir auch nicht übel.
    »Hast du Angst vor mir? Oder warum lässt du dich nicht mehr im Präsidium blicken?«
    »Ich hab keine Angst vor dir«, sage ich.
    Ich hab Angst vor dem, was aus uns werden könnte, wenn ich uns von der Leine lasse.
    »Ich bin auch gar nicht gefährlich«, sagt er.
    Du bist saugefährlich. Aber das geht dich nichts an.
    »Wo willst du hin?«
    »Nach Hause«, sage ich.
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    Er kuckt mich wieder an, das ist ein Blick, so warm, der könnte die Wolken dazu bringen, mit dem Schnee aufzuhören.
    Dann tritt er einen Schritt zur Seite, verbeugt sich und lässt mich vorbei.
    Als ich an der Reeperbahn bin, drehe ich mich noch mal um, ich will noch was sagen, plötzlich ist mir nach Reden, aber der Inceman ist schon weg.
    Ich stecke meine Hände in meine Manteltaschen.
    Es wird Winter.

Über Simone Buchholz
    Simone Buchholz, geboren 1972, wohnt mit Mann und Sohn im Herzen von Hamburg. In ihrem Krimi-Debüt Revolverherz hatte Chas Riley, die Staatsanwältin mit dem seltsamen Namen, ihren ersten fulminanten Auftritt. Mit Knastpralinen folgte der zweite, mit Schwedenbitter nun der dritte Streich.

Über dieses Buch
    Eine Villa im Hamburger Süden und darin zwei tote Amerikaner. Außerdem: ein schnüffelnder Ex-Kommissar, ein paar sehr höfliche Autonome, eine durchgeknallte Schwedin, Immobilienhaie, eine Freundin, die vielleicht ein Kind bekommt, ein schnöseliger Kollege – und überall der mafiose Behördensumpf.
    Mittendrin stapft Staatsanwältin Chas Riley durch den Novembernebel und braucht all ihre Kraft, um nicht darin unterzugehen.

Impressum
    eBook-Ausgabe 2011
    Knaur eBook
    © 2011 Droemer Verlag
    Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
    Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
    Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
    Coverabbildung: © Kai Remmers/buchcover.com; FinePic®, München
    ISBN 978-3-426-41125-4