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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Faller. »Ich konnte nicht mehr verheimlichen, dass ich mit der Sonntagszeitung durch war. Hätten Sie nicht angerufen, hätte meine liebe Frau mich wieder zu dieser verfluchten Gartenarbeit verdonnert.«
    »Ich dachte, Sie mögen Gartenarbeit«, sage ich.
    »Fischbrötchen mag ich lieber«, sagt er, »gerade im November. Was soll ich da auf allen vieren durchs tote Gestrüpp robben, nur damit meine Frau das Gefühl hat, dass ich versorgt bin?«
    Wir sitzen auf der Bank vor der kleinen Fischbude in Övelgönne und lehnen uns gegen die Fischbudenbretterwand. Die Fischbude steht auf einem Schiffsanleger, der Anleger schwankt und knarzt unter unseren Füßen. Ich mag dieses Knarzen. Es gibt mir ein Gefühl der Möglichkeiten. Wenn ich dem Wasser so nah bin, könnte es jederzeit sein, dass ein Schiff vorbeikommt und mich mitnimmt. Nicht, dass ich wegwill. Ich bin ja gar nicht der Typ fürs Weggehen. Aber die Idee finde ich irgendwie beruhigend.
    Der Nebel von gestern Abend hat seinen Griff gelockert, und über Mittag ist tatsächlich ein Hauch von Sonne rausgekommen. Der Faller beißt in seine Matjesschrippe, hält sein altes Gesicht in die dünne Sonne, macht die Augen zu und kaut.
    »Wie ist Amy Tucker so?«, frage ich.
    »Keine Ahnung«, sagt er, »ich hab bisher nur einmal mit ihr telefoniert. Sie kam mir ziemlich cool vor. Eine klare, geradlinige Stimme. Ich an ihrer Stelle wäre wahrscheinlich aufgeregt und fahrig gewesen, das nimmt einen doch mit, so eine Todesnachricht, und sie wusste ja noch nicht lange davon. Vielleicht stand sie aber auch unter Schock. Und am Telefon ist so was ja sowieso schwer einzuschätzen. Ich war auf jeden Fall erstaunt, wie gut sie Deutsch sprach.«
    Er beißt wieder in sein Brötchen, kaut und schiebt seinen Hut ein Stückchen weiter nach hinten.
    Mir schmeckt mein Bismarck-Hering irgendwie nicht. Der ist viel zu sauer. Ich hätte Matjes nehmen sollen.
    »Faller«, sage ich, »ich verehre Sie auf den Knien meines Herzens, das wissen Sie, aber es kann nicht angehen, dass Sie in einem Fall schnüffeln, an dem wir dran sind. Das geht einfach nicht. Kommen Sie schon. Rufen Sie Amy Tucker an, und geben Sie das Ding wieder ab. Dann wäre uns allen wohler.«
    Der Faller holt einen Zwiebelring aus seinem Brötchen und schmeißt ihn hinter sich in den Mülleimer.
    »Was die nur immer mit diesen Zwiebeln wollen«, sagt er. »Zwiebeln machen den Fisch kaputt.«
    Vielleicht hätten wir doch Currywurst essen sollen. Irgendwie passt das heute nicht zusammen, die Fischbrötchen und wir.
    Der Faller schiebt sich den Rest seines Brötchens komplett in den Mund, kaut ein paar Mal und schluckt den ganzen Kram runter. Er sieht für einen Moment aus wie ein riesiger schrulliger Pelikan. Als sein Mund leer ist, nimmt er kurz den Hut ab, fährt sich über sein weißes Haar, setzt den Hut wieder auf und sagt:
    »Ich hab Sie auch lieb, Chastity. Aber lassen Sie mich bitte meine Arbeit machen, ja?«
    Ich sehe ihn an, atme ein und wieder aus und kucke zurück aufs Wasser. Man kann’s ja mal versuchen.
    Zu unseren Füßen landet ein Rabe und fängt an, mir die Taschen vollzukrächzen. Er hüpft immer näher an mich ran. Ich glaube, der will an meinen Bismarck.

ZLATAN BAJRAMOVIC
    I ch war letzte Nacht im Krankenhaus. In der Notaufnahme. Klatsche hat mich da hingebracht, weil ich keine Luft mehr gekriegt habe. Ich hätte ihm gerne gesagt, dass das nicht nötig ist mit dem Krankenhaus, dass ich nur einmal ordentlich abhusten muss, und dann geht’s auch wieder. Aber ich konnte ja nicht reden, weil ich so husten musste. Als wir da im Neonlicht an der Anmeldung rumsaßen, hat Klatsche einen Anruf gekriegt. Schlüsseldienstnotfall. Er musste schnell los, für Geld eine Tür knacken. Der Herr Obergastronom. Ich hab noch zehn Minuten gewartet, bis er ganz sicher weg war, und dann hab ich mich auch vom Acker gemacht. Atmen ging wieder, und Krankenhaus geht ja nun wirklich gar nicht.
    Ich will zum Calabretta. Als ich die Tür zum Büro meiner Kollegen aufmache, kriege ich einen Schreck. Da steht einer an Fallers Schreibtisch und sortiert Sachen in Fallers Schubladen ein. Der Calabretta sitzt ihm gegenüber und lächelt mich an, als wolle er sagen: Ich weiß. Ich finde das auch sehr befremdlich. Aber es ist nun mal, wie es ist.
    Ach ja. Hatte ich ganz vergessen. Der neue Bulle.
    Er steht auf und geht zwei Schritte auf mich zu, aber wirklich nur zwei. Er ist ziemlich groß, seine langen Beine stecken in einer schmalen,

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