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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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würde er wohl nie werden. Noch immer schnürte ihm Beklemmung die Kehle zu, wenn er Ehepartnern, Eltern, Kindern und Freunden die Nachricht überbringen musste, die sie aus der Bahn werfen und ihr Leben für immer verändern würde.
    Die Sache mit dem Baby kam einer zweiten Todesnachricht gleich.
    Ehrlinspiel spürte den Kloß in seinem Hals. »Das ungeborene Kind ist nicht nur mit ihr gestorben.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Hermann Sommer wurde blass.
    »Elisabeths Bauch wurde aufgeschnitten und das Kind entfernt. Nach ihrem Tod.« Der Hauptkommissar atmete tief durch.
    »Entfernt?« Renate Sommers Lippen bebten.
    »Ja. Wir konnten es bisher noch nicht finden.«
    Joseph presste eine Faust auf den Mund. Frieda rührte sich nicht. Auf Hermanns Stirn bildeten sich Schweißperlen. Er zitterte. Einzig Bruno schien die Neuigkeit zu gefallen. Er kam auf die Beine und trabte in einem Kreis um den Küchentisch herum, summte leise einen Reim und flocht immer wieder »Liss, liss, oh friss« darin ein.
    »Kann sich jemand von Ihnen vorstellen, wer Elisabeth und ihrem Baby das angetan hat?«, fragte Ehrlinspiel.
    Bruno summte unverdrossen weiter.
    »Elisabeth«, flüsterte Joseph.
    »Hatte sie Feinde?«
    »Vielleicht kann Ihnen Sina helfen«, sagte der Bürgermeister zögerlich.
    Wie auf ein Stichwort wechselte Bruno die Richtung und umkreiste den Tisch andersrum. »O si na. O si ri a.«
    Osiria, dachte Ehrlinspiel. Klingt fast wie die weibliche Form von Osiris, dem ägyptischen Gott der Toten, der Wiedergeburt und Vegetation. Er war gleichzeitig irritiert und fasziniert. Er hatte so einen Menschen noch nie erlebt und kannte die meisten geistigen Behinderungen nur vom Hörensagen. Was mochte in Bruno vorgehen?
    Renate rückte von ihrem Mann ab und starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Sina? Das halte ich für keine gute Idee!«
    »Aber sie war Elisabeths beste –«
    »Sina hat genug Sorgen und braucht ihre Kraft woanders. Lass sie in Ruhe, zieh sie da nicht auch noch mit rein!«
    »O si na. O si ri a.«
    »Aber Sina –«
    »Hermann, bitte, tu ihr das nicht an.«
    Ehrlinspiel wurde hellhörig. »Wer ist Sina?«
    »O si na. O si ri a. O si na. O si ri a.« Bruno wurde immer lauter, übertönte die anderen beinahe mit seinem Singsang.
    Frieda stellte sich ihrem Sohn in den Weg und raunte Ehrlinspiel zu: »Sehen Sie nicht, wie Sie ihn aufregen mit Ihren Fragen? Wir können Ihnen nicht weiterhelfen! Wir haben alles gesagt. Es ist besser, Sie gehen jetzt.« Sie legte Bruno eine Hand auf den Rücken und schob ihn zur Tür hinaus. »Komm, zeig mir deine neuen Setzlinge.«
    Hermann blickte den beiden hinterher und wischte sich dabei mit dem Ärmel über die feuchte Stirn. Dann setzte er sich. »Sina war Elisabeths beste Freundin. Früher, als sie noch bei uns lebte.«
    »Wo finde ich sie?«
    »Sie hat den kleinen Obst- und Gemüseladen in der Kirchstraße gepachtet. Den können Sie gar nicht verfehlen, es ist der einzige im Ort. Wahrscheinlich sind Sie schon daran vorbeigekommen.«
    Renate verließ wortlos die Küche.
    »Haben Sie Fotos von Ihrer Schwester?« Er musste sich die Sommers noch heute einzeln vorknöpfen.
    »Kommen Sie«, antwortete Joseph statt seines Sohnes, stemmte sich hoch und schlurfte zur Tür.
    Ehrlinspiel stieg hinter ihm in den ersten Stock hinauf.
     
    »Ihr Zimmer.« Joseph Sommer setzte sich an einen großen alten Schreibtisch und zog eine Schublade auf. »Ist jetzt mein Arbeitszimmer. Bin hier ungestört.« Er gab Ehrlinspiel einen Umschlag.
    »Sie war eine Schönheit«, stellte der Kriminalhauptkommissar fest, als er, neben dem alten Sommer stehend, die Fotos durchsah.
    »Ja, war sie.«
    »Darf ich das hier mitnehmen?« Er hielt ein Bild hoch, auf dem vier Jugendliche Arm in Arm und fröhlich lachend vor einer Scheune posierten. »Sie bekommen es bestimmt zurück.«
    »Elisabeth, Hermann, Sina und Elisabeths Freund. Nehmen Sie’s.«
    »Wie hieß ihr Freund?«
    »Johannes. Anderes Ende des Dorfes.«
    »Nachname?« Der Kommissar betrachtete die haarigen Ohrläppchen des Bauern.
    »Beyer. Er ist der Bruder von Renate.«
    Ehrlinspiel notierte den Namen und registrierte das alte Bett, einen abgeliebten Teddybären auf dem Kissen, ein Regal mit Schulbüchern, Romanen und CD s und eine Kommode, auf der ein Spiegel und eine Bürste lagen. Eine typische Mischung aus Mädchenreich und Zimmer einer jungen Frau. Außer dem Schreibtisch und dem Bett war alles mit einer dicken Staubschicht überzogen.

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