Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
Vom Netzwerk:
hat sie vertrieben!«
    »Haben Sie dafür konkrete Anhaltspunkte?«
    Mit der Faust klopfte sich Joseph auf seinen Brustkorb. »Weiß es einfach! Wochenlang hat sie kaum gesprochen. Hat sich oft hier eingeschlossen. Sogar die Schule geschwänzt. Eines Morgens im Februar war sie dann fort. Mit ihrem ganzen Taschengeld und ein paar Kleidern. Sie hatte Angst! Ich weiß es!«
    »Wissen Sie auch, vor wem oder was?«
    Joseph schloss die Augen und lehnte sich zurück. Lange sagte er nichts. »Ihre Stimme«, sprach er dann wie im Traum, »die hat ihre Furcht verraten.« Erneut hielt er inne. »Wie Tautropfen war ihre Stimme, wie große klare Tautropfen. Sie konnte schön singen. Wie eine von der Oper, die man im Radio hört. Sängerin werden, das war ihr größter Wunsch.« Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. »Elisabeth hat immer gefeixt, wenn ich das mit den Tautropfen gesagt habe. ›Du bist Bauer, Papa, kein Philosoph.‹« Josephs Lächeln machte einem schweren Atem Platz. »Und dann …«, er öffnete die Augen, sah Ehrlinspiel mitten ins Gesicht, und in dem verwaschenen Graublau schien für einen Moment ein Funke aufzuglimmen, »dann ist ihre Stimme vertrocknet. Wurde klanglos. Rauh. War nicht mehr die fröhliche Elisabeth. Sie muss wegen irgendetwas schrecklich gelitten haben. Ich weiß es!«

[home]
6
    H ast du die Boskop?«
    »Ja.« David Lavie schlug die Hecktür seines Lieferwagens zu. »Hör mal, willst du es dir nicht noch einmal überlegen?«
    »Es geht nicht.«
    »Ich verstehe dich nicht. Was hält dich bloß hier?«
    »Nicht heute, ja? Lass uns nächste Woche weiterreden.«
    »Ist alles in Ordnung?« Er kam einen Schritt auf sie zu, und sein markantes Profil spiegelte sich in der Scheibe der Fahrertür.
    Sie schlang die Arme um ihren schmalen Oberkörper. »Ich muss das Gemüse einräumen. Wir sehen uns am Montag.«
    Er küsste sie zum Abschied auf die Wange. »Mein Angebot steht. Aber ich kann nicht ewig warten.«
    »Bis dann.« Sie hob die Hand, als er mit knirschenden Reifen von dem kleinen gekiesten Platz fuhr, rechts abbog und hinter den Häusern verschwand.
    Sina ging zurück in ihren Laden. Es war kurz vor zehn Uhr, sie musste öffnen. Auch heute. Auch wenn die wenigen Lattenkisten mit Kartoffeln, Rosenkohl und Äpfeln am Abend noch genauso voll sein würden wie jetzt. Auch wenn sie sich nichts sehnlicher wünschte, als Davids Vorschlag annehmen zu können.
    Ihre Lippen bebten.
    Wie hatte das nur passieren können? Nie wieder würde die Gelegenheit wiederkehren, die Sache in Ordnung zu bringen. In Ruhe darüber zu reden. Sie musste schon mit so vielen Sorgen leben. Warum hatte sie nicht wenigstens diese eine Last abwerfen können?
    Sina nahm einen Apfel und wendete ihn in der Hand. Ihre Welt drehte sich gleichzeitig vorwärts und rückwärts. Schleuderte sie aus der Vergangenheit in eine quälende Zukunft, hielt an, ließ die letzten Tage vor ihr aufblitzen, rotierte schneller. Sina fehlte die Kraft, ihre Gedanken zu sortieren.
    Würde sie jemals Erlösung finden?
    Ihre Fingernägel bohrten sich in die glatte Haut der Frucht.
    Würde sie jemals vergessen können?
    Die hellen Glöckchen der Ladentür ließen sie aufschrecken.
    Ein großer Mann mit zerzaustem sandfarbenem Haar trat ein. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Das konnte nur eins bedeuten.
    Rasch trat sie hinter die Ladentheke und schob geschäftig ein paar Lieferblätter zusammen. »Guten Morgen. Sie wünschen?«
    »Guten Tag. Ehrlinspiel, Kripo Freiburg.«
    Sie hatte richtig vermutet.
    »Sina Vogel?«
    »Ja.«
    Der Mann reichte ihr ein handgroßes grünes Papier über den Tresen. Flüchtig las sie das Wort
Polizeidienstausweis,
dann gab sie es zurück.
    Eindringlich sah der Mann sie an. »Wovor haben Sie Angst?«
    »Angst? Wieso, ich –«
    »Der Ausweis. Ihre Hände sind feucht.« Er lächelte freundlich.
    Sina merkte, dass der klebrige Saft des Apfels über ihre rechte Hand lief. »Oh … Entschuldigung.« Sie wischte die Hand an ihrer grünen Latzhose ab. »Ich war gerade im Lager beschäftigt. Ich verkaufe auch an einen Biohändler, und wir haben die Äpfel verladen. Braeburn und Boskop. Und Arlet.«
    Der Polizist sagte nichts.
    »Arlet ist eine Kreuzung aus Golden Delicious und Idared«, fügte sie rasch hinzu.
    »Aha.«
    »Die sind sehr beliebt, wir haben eine gute Qualität und gute Böden. Mein … Partner in Freiburg verkauft sie kiloweise jeden Tag.« Sina zupfte an einem Hosenträger. »David Lavie heißt er. Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher