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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Er fragte sich, ob auch Elisabeths Kleider noch im Schrank hingen.
    »Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Tochter?«
    »Gut.«
    »Können Sie das etwas genauer erklären?«
    »Vertraut.«
    »Sie haben alle ihre Sachen unverändert gelassen.«
    »Hätte ja sein können, dass sie wiederkommt.« Der Alte legte die Hände auf seine Oberschenkel.
    Er gehört einer Generation an, dachte Ehrlinspiel, in der Gefühle tabu sind. Keine Emotionen zeigen. Nicht darüber reden. Selbst hart erzogen worden, hart zu den eigenen Kindern, hart gegen sich selbst. Das Leben geht weiter.
    »Sie haben gehofft, dass Elisabeth eines Tages den Weg zu Ihnen zurückfindet, nicht wahr?«
    Joseph Sommer grummelte ein Ja.
    »Und Ihre Frau, hat sie das auch gehofft?«
    Der Bauer lachte bitter auf. »Frieda?« Sein Blick richtete sich in ein fernes Nichts. »Kümmert sich nur um Bruno. Sie kann mit ihm.«
    »Und Elisabeth? Hat Ihre Frau sich nicht auch um sie gekümmert?«
    »Haben Sie Kinder? Eine Tochter?« Der Alte richtete sich auf dem Stuhl auf.
    Moritz Ehrlinspiel verneinte.
    »Dann verstehen Sie nicht. Väter, Töchter. Ist was Besonderes. Elisabeth brauchte Frieda nicht.«
    Ehrlinspiel nickte.
    »Das Zimmer hier«, Joseph Sommer machte eine ausladende Bewegung, »hat auf sie gewartet.«
    »Sie vermissen sie sehr.«
    »Ich hätte es nicht zulassen dürfen!« Er ballte die Fäuste.
    »Dass sie wegging?«
    »Dass sie zurückkam. Ich hätt’s wissen müssen. Nichts war mehr so wie früher. Ich hätt’s verhindern müssen. Hätt’s –«
    »Wieso verhindern? Wussten Sie denn, dass sie kommen würde?«
    Joseph sah zu Ehrlinspiel auf. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab wie ein nervöser Kanarienvogel, um dessen Käfig eine Katze streift.
    »Haben Sie mir etwas verschwiegen, Herr Sommer?«
    Der Alte ließ die Schultern sinken. Seine Mundwinkel zuckten.
    »Sie wollen doch, dass wir den Mörder Ihrer Tochter finden, oder?«
    »Sie … Sie hat mir eine Karte geschickt. Ist zwei Wochen her.«
    »Wo ist die Karte?«
    Sommer ging zum Bett und hob das Kissen hoch. »Hier.«
    Ehrlinspiel las. »Ich werde zu Deinem 60. Geburtstag kommen, Papa. Die Zeit ist da, Euch wiederzusehen. Es geht mir gut, und es gibt viel zu erzählen. Ich hoffe, dass Ihr Euch auch freut. In Liebe, Elisabeth.« Keine Adresse, aber ein Stempel vom
Briefzentrum
10
. War das in Berlin? Vorne ein Bild mit Resten der Berliner Mauer.
    »Die muss ich mitnehmen.«
    Der Adamsapfel hüpfte wieder auf und ab.
    »Herr Sommer, wer weiß außer Ihnen von der Karte?«
    »Niemand.« Seine haarige Hand stützte sich auf den Bettpfosten.
    »Sind Sie sich absolut sicher?«
    »Hab sie selbst aus dem Briefkasten geholt. Meine Frau hätte nur wieder Streit angefangen. Konnte Elisabeth nie verzeihen.«
    »Aber Sie schon?«
    »Meine Kleine und ich waren unzertrennlich. Fast so wie Elisabeth und Sina.« Joseph setzte sich wieder, der Stuhl knarzte.
    »Sina«, murmelte Ehrlinspiel. »Was meinte Ihre Schwiegertochter Renate vorhin mit den Sorgen, die Sina hat?«
    Der Alte krümmte die Finger. »Nur Gerede.«
    »Wirklich?« Ehrlinspiel taxierte Joseph, glaubte, etwas Verzweifeltes in den wässrigen Augen zu sehen, aber auch Furcht.
    »Gibt es noch etwas, das Sie mir sagen wollen?«
    »Hab ihr nichts getan!«
    »Das erwähnten Sie bereits.«
    »Wir waren …« Er knetete seine Hände. »Sie erzählen Frieda nichts? Will keinen Unfrieden.«
    »Wenn es für die Ermittlungen nicht nötig ist – versprochen.«
    »Elisabeth und ich waren am Dienstag spazieren.«
    »Wo genau? Um welche Uhrzeit?«
    »Am Morgen. Halb sieben. Hat hinter der Kirche auf mich gewartet. Sind am Waldrand entlang. Nur kurz. Eine halbe Stunde.«
    »Wie haben Sie dieses Stelldichein denn arrangiert?«
    »Als sie am Montag kam und Frieda sie wegschickte, da haben wir einen Moment geredet.«
    »Und über was haben Sie beim Spaziergang gesprochen?«
    »Ihre Schwangerschaft.«
    »Sonst nichts? Sie schrieb doch, es gäbe viel zu erzählen.«
    Joseph fuhr sich ungelenk durch die Haare. »Ich wollte sie nicht … unter Druck setzen. Außerdem wollte sie noch zu Sina. Unbedingt. Hat sich so auf sie gefreut.«
    »Haben Sie eine Ahnung, warum sie zurückgekommen ist?«
    Er schüttelte den Kopf. »Aber das kann nur etwas mit früher zu tun gehabt haben.« Der alte Mann sah wieder ins Leere.
    Ehrlinspiel wartete.
    »Sie hätte mich nie verlassen!«, brach es plötzlich barsch aus Joseph Sommer hervor. »Ihr muss damals etwas zugestoßen sein, etwas

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